Man meint, man habe schon alles über das Ruhrgebiet gesehen. Doch es kommen
immer neue Schätze der Geschichte ans Tageslicht. Wie zum Beispiel die unzähligen Fotografien von Erich Grisar, die lange im Stadtarchiv Dortmund geschlummert haben. Nun hat das LWL-Industriemuseum Zeche Zollern in Kooperation mit dem Ruhr Museum eine Ausstellung im Rahmen der wiederentdeckten Negative Grisars eröffnet.
[ruhr-guide] Erich Grisar, der 1898 in der Dortmunder Nordstadt geborene Sohn einer Arbeiter Familie, war nicht unbedingt als Fotograf bekannt. Man kannte ihn eher als Journalist und Autor. Er schrieb viele Gedichtbände, aber auch Reiseberichte und einige Romane sind dabei. Erich Grisar hatte hauptberuflich jedoch rein gar nichts mit seinen vielen Leidenschaften zu tun, denn er arbeitete als technischer Zeichner in einer Kessel- und Brückenbaufabrik und tat es einem Vater ähnlich, der als Zuschläger ebenfalls für den Brückenbau arbeitete. Seine Mutter war Näherin. Auch der Krieg verschonte Grisar nicht. Im ersten Weltkrieg kämpfte er als Soldat an der West- und Ostfront und wurde dabei schwer verwundet. Er kehrte als überzeugter Pazifist wieder in seine Heimat, nach Dortmund zurück. Mit seinen Fotografien verdiente er das meiste Geld und konnte so seinen Lebensunterhalt sichern. Er verkaufte die Fotos an Zeitungen und publizierte ebenfalls Sozialreportagen und liess sie anschließend veröffentlichen. Erich Grisar starb im November 1955 und wurde 57 Jahre alt.
Die Fotografien
Die Fotos, die in seiner Zeit als Fotograf entstanden sind, hat Erich Grisar in seiner unmittelbaren Umgebung aufgenommen. Sie zeigen, wie das Leben damals im Kohlenpott war und das in einer Authentizität, die kaum mit anderen zeitgenössischen Fotografien zu vergleichen waren. Auf den Aufnahmen sind alltägliche Situationen abgebildet, wie Kriegsversehrte, Kinder die damals schwer schuften mussten, aber auch Arbeiter die in der Pause aßen und Bier tranken sind unter seinen zahlreichen Fotos zu finden. Es fühlt sich fast so an, als würden die Motive von ganz alleine zu Grisar finden. Es mag sein, dass es viele ähnliche Bilder von anderen Fotografen gibt, jedoch sind die Motive von Grisar immer um einen kleinen Hauch anders. Er fotografierte das, was er jeden Tag sah und es scheint, als würde man durch Erich Grisars Augen seine Vergangenheit betrachten.
Die Ausstellung
Das LWL-Museum Zollern zeigt eine Auswahl von 200 Motiven von insgesamt über 4200 Negativen seiner schwarz-weiß Fotografien, von denen fast alle in seiner Heimat entstanden sind. Die Ausstellung ist in 3 Themen unterteilt: „Kindheit“, „Städtisches Leben“ und „Arbeit und Alltag im industriellen Ballungsraum“.
Unter anderem sind auch Publikationen, Schriftstücke und diverse Artikel von und über Erich Grisar ausgestellt. Das Besondere dieser Ausstellung ist, dass nicht nur seine Arbeiten gezeigt werden, sondern auch ein großes Projekt mit einigen Schulen aus Grisars Heimat, der Nordstadt in Dortmund. 150 Kinder haben fleißig fotografiert, gefilmt, gebastelt und getüftelt, um Erich Grisar einen Tribut zu zollen. Es sind Plakate, Collagen und auch Modelle, wie das der Dortmunder Steinwache. Für mehre Wochen setzten sich die Schüler der Kielhornschule, Gertrud-Bäumer-Realschule, Anne-Frank-Gesamtschule und der Rheinisch-Westfälischen Realschule mit Erich Grisar und seiner Zeit auseinander. Herausgekommen sind wunderbare Plakate, Videos Modelle und andere künstlerische Ausstellungsstücke. Auch ein paar Fotografien von anderen Fotografen aus Grisars Zeitepoche sind darunter. Die Leiterin der Zeche Zollern, Dr. Anne Kugler-Mühlhofer und Museumsdirektor Dirk Zache, haben sich wahrlich Mühe gegeben und eine einzigartige Ausstellung geschaffen, die sich lohnt, bestaunt zu werden!
Erich Grisar
Ruhrgebietsfotografien 1928-1933
24.2. – 8.10.2017
LWL-Industriemuseum Zeche Zollern
Grubenweg 5 | 44388 Dortmund
Geöffnet Di-So 10-18 Uhr
Fotos: Hannah Wieringer