Zwischen Ende September 2019 und Mitte November 2020 kommt die Pest nach Herne – glücklicherweise allerdings nur als Ausstellung in das Archäologische Museum des Landesverbands Westfalen-Lippe. Die Sonderausstellung beginnt in der Antike und schlägt von dort einen Bogen durch die Jahrhunderte bis in die heutige Zeit.
[ruhr-guide] Vermutlich hat niemand von uns außerhalb von Geschichtsbüchern oder Dokumentationsfilmen bisher näher mit der Pest zu tun gehabt; der letzte größere Ausbruch in Westeuropa, ausgehend von einem Schiff im Hafen von Marseille, jährt sich im nächsten Jahr zum dreihundertsten Mal. Viele werden die Pest unter dem Namen “Schwarzer Tod” kennen und dem in der allgemeinen Wahrnehmung fälschlich so wahrgenommenen “finsteren Mittelalter” zuordnen, doch bereits Steinzeitmenschen litten unter den tödlichen Folgen der bakteriellen Infektion, und auch aus der Antike sind uns Pestepidemien bekannt, so aus Ägypten (in diesem Kontext wird sie auch in der Bibel erwähnt), aus Osteuropa und Kleinasien bis zum Altai-Gebirge und aus Rom – die Justinianische Pest ist die wohl erste überlieferte Pestpandemie, wenigstens in Europa. Diese brach zunächst in Ägypten aus und verbreitete sich zum westlichen und nördlichen Nachbarn Ostrom sowie längs des gesamten Mittelmeeres und durch die ehemaligen Provinzen des bereits zerfallenen Weströmischen Reichs bis hinauf nach Irland. Welche Auswirkungen hatten diese Epidemien damals und sogar bis heute (z. B. in Redensarten)? Was ist die Ursache der Pest, wie verbreitete sie sich und was könnten wir heute dagegen tun? Auf diese und viele weitere Fragen gibt die Sonderausstellung Antworten.
Der Mythos hinter dem Schwarzen Tod
Wenn wir jemandem sprichwörtlich die Pest auf den Hals wünschen oder die Wahl zwischen Pest und Cholera haben, sind das keine schönen Aussichten – die Pest hat sich tief in das kollektive Gedächtnis des Abendlandes gebrannt. Insbesondere die Pestepidemien des Mittelalters, die ganze Landstriche entvölkert zurückließen und oftmals als Strafe Gottes angesehen wurden, ließen eine Endzeitstimmung aufkommen und haben zur Angst vor dem Schwarzen Tod beigetragen. Dieses Verständnis der Pest hatten schon die Römer zu Justinians Zeiten, und möglicherweise zeigten sie auch ähnliche Reaktionen. Historiker diskutieren, ob die Pest mit zu einer Destabilisierung des Reichs beigetragen hat. Da die Ursache der Pest unbekannt war, wurde sie mit den aus Sicht der damaligen Bevölkerung mit ihrem Welt- und Gottesbild wahrscheinlichsten Gründen erklärt: Neben der Auffassung als göttliche Strafe für die Sünden der Menschen wurden z. B. Juden verdächtigt, Brunnen vergiftet zu haben. Diese litten im Mittelalter immer wieder unter Repressalien und Verfolgung, so im Rheinland, in Mainz, Speyer und Worms, als ein durchziehendes Kreuzzugsheer während des Ersten Kreuzzugs jeweils hunderte Juden verfolgte, zwangschristianisierte oder umbrachte. Die Pestpogrome, die sich von den Mittelmeerhäfen aus bis nach Norden ausbreiteten (und dies teilweise schneller als die Pest selbst) waren noch schlimmer – selbst Einwände von Papst Clemens VI. konnten nur wenig verhindern.
Die Entdeckung des Erregers
Wenngleich die obigen Ursachen wohl spätestens im Zuge der Aufklärung von der Mehrzahl der Menschen verworfen wurden, war lange nicht klar, was die Pest hervorruft und wie sie zu bekämpfen sei. Erst Ende des 19 Jahrhunderts entdeckte der Schweizer Alexandre Yersin, der seit 1890 als Schiffsarzt in Indochina arbeitete, den später nach ihm benannten Erreger: Das häufig durch Rattenflöhe auf Menschen übertragene Bakterium Yersinia pestis. Als sich 1894 eine Pestepidemie von der Mongolei bis nach Südchina ausbreitete, wurde Yersin nach Hongkong geschickt, wo er in mühevoller und nicht ungefährlicher Arbeit Erreger aus Lymphknoten von Pesttoten isolierte und anhand von Tierversuchen nachweisen konnte, dass dieser tatsächlich ursächlich verantwortlich für die Beulenpest ist. Auch das zeitgleiche massenhafte Rattensterben ordnete er korrekt der Pest zu.
Der heutige Stand
Auch wenn die letzte Pestepidemie Europas 1720 in Marseille ihren Anfang nahm, ist sie nicht “aus der Welt”: Auch heute noch gibt es auf Yersinia pestis zurückzuführende Krankheitsfälle. Um derartigen Epidemien vorzubeugen bzw. sie früh und nachhaltig zu stoppen, stehen bspw. in Essen spezielle Infektions-Rettungswagen sowie die „Analytische Task Force NRW Biologie” für Notfälle bereit. Das Team der Task Force unter Leitung von Jörg Spors stellt für die Ausstellung Teile ihrer Ausrüstung bereit, so etwa spezielle Schutzanzüge und einen “Schneewittchensarg”. Was das ist? Spors erklärt: „Das ist eine spezielle Trage, die von einer luftdichten Hülle umgeben ist. Darauf können wir einen infizierten Menschen transportieren und verringern das Risiko, dass andere angesteckt werden.” Für Notfälle gibt es Einsatzpläne, nach denen infizierte Personen isoliert behandelt und Erreger in dafür ausgestatten Laboren untersucht werden können. Dank der Fortschritte in der Medizin in den Jahrzehnten seit der Entdeckung des Bakteriums durch Alexandre Yersin gibt es inzwischen wirksame Antibiotika gegen die Pest.
Die Pest – eine besondere Ausstellung
In der am 20. September beginnenden Ausstellung wird die Pest anders als in vielen anderen Expositionen zu diesem Thema nicht nur lokal oder zeitlich begrenzt behandelt, sondern in jeglicher Hinsicht umfassend – es wird ein Bogen von der Steinzeit bis in die Moderne geschlagen und auch ein Licht auf Glaube, Kultur und Gesellschaft der Menschen an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten geworfen. So können die Besucher Geschichte umfassend erfahren und unterschiedliche Aspekte des Themas miteinander verknüpfen. Verfolgen Sie den Schwarzen Tod durch die Jahrhunderte und entdecken Sie, wie die Menschen zu allen Zeiten mit der Gefahr umgingen und wie wir heute damit umgehen bzw. umgehen würden.
Pest! Sonderaustellung im LWL-Landesmuseum Herne
20.09.2019 – 15.11.2020
LWL-Museum für Archäologie in Herne
Europaplatz 1, 44623 Herne
Fotos:
LWL / Kalus
bpk / Musée d´histoire de Marseille / R.Chipault-B.Soligny
LWL / Schubert