Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum baut Gesundheitsnetzwerk für Asylsuchende aus – 50 Ärzte und zwei Krankenhäuser im östlichen Ruhrgebiet behandeln Flüchtlinge kostenlos und anonym
Bochum (JBH). Mehr als 50 Ärzte und zwei Krankenhäuser im Ruhrgebiet behandeln Kriegsflüchtlinge kostenlos und anonym. Ständig kommen neue hinzu. Das ist ein Verdienst der Medizinischen Flüchtlingshilfe (MFH) in Bochum, die sich seit fast zehn Jahren für die Gesundheitsversorgung von asylsuchenden Menschen einsetzt. Unterstützt wird die Arbeit in Bochum von der Bochum-Agenda 21.
Flüchtlinge aus aller Welt nehmen teilweise unvorstellbare Strapazen auf sich, um nach Deutschland zu gelangen. Zu Fuß legen sie den langen Weg aus dem Kosovo zurück, zwischen Gepäck und Kisten schmuggeln sie sich aus Afrika auf einem Fischkutter ein – immer in der Hoffnung auf Asyl. Entzündungen und Geschwüre am Bein, chronische Bronchitis, Magen-Darm-Erkrankungen oder Stoffwechselstörungen sind Zeugnisse einer langen Flucht ohne medizinische Versorgung. Immer mehr Mediziner bieten in solchen Fällen unentgeltlich ihre Hilfe an. „Es sind Ärzte, die ihre soziale Verantwortung wahrnehmen“, sagt Bianca Schmolze von der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum.
Seit acht Jahren für Flüchtlingshilfe tätig
Einer von ihnen ist Dr. Wolfgang Brockhausen, Zahnarzt und Heilpraktiker in Bochum-Linden. „Es ist für mich als medizinisch Ausgebildetem eine menschliche Verpflichtung, Hilfe für Menschen in Notlage nicht von Entgelt abhängig zu machen“, sagt er. Seit 1998 arbeitet der Mediziner mit dem grauen Pferdeschwanz mit der Medizinischen Flüchtlingshilfe zusammen. „Damals suchte die MFH einen Zahnarzt. Sie haben mich angerufen und ich war sofort dabei.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert. Brockhausen: „Meine Patienten stammen größtenteils aus dem Iran oder aus Osteuropa. Ich möchte ihnen durch meine Behandlung ein Gefühl von Sicherheit geben.“
Kommunikation mit Händen und Füßen
Dr. Brockhausen behandelt hauptsächlich Schmerzpatienten. „Einmal musste ich sogar eine kleine Operation machen und fünf Zähne entfernen.“ Für Zahnersatz ist er nicht zuständig. „Meine Aufgabe ist es, den Patienten von den Schmerzen zu befreien.“ Pro Monat konsultieren ihn im Schnitt zwei Asylsuchende. Eventuelle Sprachbarrieren während der Behandlung überwindet Dr. Brockhausen durch Pantomime und bildliche Darstellungen. „Da immer eine Begleitperson von der Flüchtlingshilfe dabei ist, klappt das ganz gut“, sagt der Zahnarzt. Die Flüchtlingsorganisation hält er für „gut organisiert und notwendig“. „Wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie erfinden.“
Recht auf medizinische Versorgung
So denkt auch Valeska Richter-Oldekop über die MFH. Die Allgemeinärztin aus Bochum-Langendreer sitzt an ihrem Schreibtisch in ihrer Praxis. Seit 2002 arbeitet die Medizinerin unentgeltlich für die Flüchtlingshilfe. „Jeder Mensch hat ein Recht auf medizinische Versorgung“, erklärt sie ihre Motivation. Schon vor ihrer Mitarbeit hatte Valeska Richter-Oldekop Kontakt zur MFH: Ihre Praxis liegt nahe am medizinischen Zentrum der Flüchtlingshilfe im Kulturbahnhof Langendreer. Dort werden Asylbewerber, die teilweise ohne Papiere in Deutschland leben, von medizinischem Personal voruntersucht und anschließend an die Fachärzte wie Dr. Brockhausen oder Valeska Richter-Oldekop überwiesen.
Mensch steht im Vordergrund, nicht die Vorschriften
Gehemmt seien die Patienten, sagt die Allgemeinärztin, oft auch ängstlich. „Manche leben schon sehr lange in Deutschland und haben Krankheiten verschleppt.“ Die häufigsten Beschwerden, die sie diagnostiziert, sind Entzündungen am ganzen Körper, diffuses Unwohlsein und Atemwegserkrankungen. Ob ein Patient sich ausweisen kann, ist ihr egal. „Ärzte haben keine Meldepflicht. Für mich steht der Mensch im Vordergrund, dem möchte ich medizinisch helfen.“
Nicht alle Fachrichtungen sind gut besetzt
Insgesamt stellen sich 53 niedergelassene Ärzte und zwei Krankenhäuser im Ruhrgebiet in den Dienst der MFH. Darunter sind Mediziner aus 13 verschiedenen Fachgebieten. Die nichtärztliche Ebene decken ein Physiotherapeut und vier Psychotherapeuten sowie zwei Hebammen ab. Nicht alle Mediziner gehen so offen mit ihrem Engagement um wie Valeska Richter-Oldekop oder Dr. Wolfgang Brockhausen. So möchten etwa die Krankenhäuser nicht über ihre Unterstützung berichten. Es sei nicht schwer gewesen, die Ärztinnen und Ärzte für eine kostenlose Mitarbeit mit der Flüchtlingshilfe zu bewegen, sagt Bianca Schmolze, die neben ihrem Engagement bei der MFH als Ratsfrau im Bochumer Stadtrat tätig ist. Trotzdem gäbe es in den Fachrichtungen Chirurgie, Diabetologie und Orthopädie noch Engpässe. Diese Lücken sollen in den nächsten Monaten geschlossen werden, um den Flüchtlingen eine flächendeckende medizinische Behandlung bieten zu können und ihnen so einen guten Start in Deutschland zu ermöglichen.
Stichwort – Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum
Die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum (MFH) wurde 1997 gegründet. Ihr Ziel ist es, Flüchtlingen und Asylsuchenden ein menschenwürdiges Leben zu bieten. Die kostenlose und anonyme Dienstleistung der MFH steht auf vier Säulen: Wichtige Bestandteile sind zum einen die medizinische Beratung, bei der die Flüchtlinge im soziokulturellen Zentrum im Bahnhof Langendreer medizinisch untersucht und anschließend zu Fachärzten überwiesen werden, sowie seit 2003 der Flüchtlingssozialdienst. Zum anderen leistet die MFH einen großen Beitrag in der psychotherapeutischen Versorgung traumatisierter Flüchtlige und in der politischen Menschenrechtsarbeit. Die MFH bietet Asylsuchenden Begleitung und Betreuung in Asylverfahren, gibt rechtliche Hilfestellung und vermittelt Anwälte. Die medizinische Flüchtlingshilfe Bochum hat ihren Sitz auf der Engelsburger Straße 168. Telefonisch ist sie unter 0234/9041380 zu erreichen. Im Internet unter www.mfh-bochum.de
und www.gerechtigkeit-heilt.de.
Foto: Daniel vom Bruch/JBH