Demonstration Schwelmer Bier Foto:Mike Bergerhoff

Schwelmer Bier – Wahrzeichen retten!

Schwelm, eine ruhige Kleinstadt, befindet sich im Ennepe-Ruhr-Kreis – und seit Kurzem auch im Aufstand. Dabei geht es um nichts Geringeres als um eines der Identifikationssymbole in der Region schlechthin. Denn Schwelm braut mit dem überregional bekannten „Schwelmer“ bereits seit 1830 sein eigenes Bier. Doch damit soll nun Schluss sein. Die Produktion wurde bereits eingestellt, das Ende soll am 30. September kommen. Allerdings hat dabei wohl niemand mit dem Kampfgeist des kleinen Städtchens gerechnet. Mit Aktionen, Demonstrationen und nunmehr bereits über 8000 Mitgliedern in einer Facebook-Rettungsgruppe stemmen sich längst nicht mehr nur die Schwelmer gegen den Verlust IHRES Bieres. Ein interessierter Investor wird gesucht und eine Genossenschaft formiert sich.

[ruhr-guide] Oft werden Einrichtungen geschlossenDemonstration Schwelmer Bier Foto:Mike Bergerhoff und Angebote reduziert. Vieles wird in der breiten Bevölkerung allein mit Schulterzucken zur Kenntnis genommen. Nicht so in Schwelm. Nachdem die Schließung der beliebten Schwelmer Brauerei am 6. Juli 2011 offiziell wurde, formierte sich eine Gegeninitiative, mit deren Größe und Einsatz wohl am Anfang keiner gerechnet hätte. Die auf Facebook entstandene Gruppe „Für den Erhalt der Schwelmer Brauerei“ wächst täglich um Hunderte von Mitgliedern, hat erst vor Kurzem die Siebentausendermarke geknackt und schreibt inzwischen über die Grenzen von Schwelm mit ihrem engagierten Einsatz für das Schwelmer Bier hinaus Schlagzeilen.

Planung einer Genossenschaft

Zur Rettung der Brauerei plant die Facebook-Gruppe nun seit einiger Zeit mit einer Genossenschaft, an der sich jeder Bürger beteiligen kann. Würde das Vorhaben gelingen, könnten die Schwelmer und ihre Region selbst Teil ihrer Brauerei werden. Um eine genaue Beteiligungszahl abzuschätzen, werden momentan eventuell Interessierte gezählt. Es sollen bei ausreichender Zahl Anteile von 250 €, 500 € und 1000 € zu erwerben sein. Bürger mit kleinerem Geldbeutel werden in Gruppen organisiert. Mehr Informationen dazu gibt es unter www.ploepp.net/genossenschaft. Auch ein Verein für Erhalt und Förderung Schwelmer Brautradition ist inzwischen gegründet worden. Unter www.schwelmbrau.de kann jeder, der die Brauerei-Retter unterstützen möchte, mit einem derzeitigen Jahresbeitrag von 12 € beitreten.

Zu einer am 12. August organisierten Demonstration in der Schwelmer Innenstadt, auf der von den Veranstaltern mit maximal 80 Teilnehmern gerechnet wurde, trafen über 350 Menschen ein. Viele reihten sich während ihres Einkaufsbummels spontan ein und zeigten Flagge für die Tradition, die dem Ende zuzugehen droht und der Region viel von ihrer Identität nehmen würde. Und dass diese Aktion zum Schwelmer Bier erst der Anfang war, zeigt die steigende Resonanz der Bürger in Schwelm und mittlerweile auch in den Nachbarstädten. Regionale Zeitungen berichten inzwischen außerhalb ihrer Lokalteile, die BILD reportierte und Sender wie Radio Ennepe-Ruhr oder Radio Wuppertal greifen das Thema medienwirksam auf. Als besonders engagiert zeigt sich auch Herbert Schürholz vom Getränkemarkt in der Prinzenstraße in Schwelm. Er holt eigenständig Lieferungen von der Brauerei ab und unterstützt die Gruppe mit Grillaktionen und Vermerken auf seinen Plakaten.

Schwelmer Bier mit großer Tradition

Während viele Städte im Umkreis Stadt des guten Bieres Foto: Sarah Bauerbereits vor Jahren die Produktion ihres stadteigenen Gerstensaftes einstellen mussten, behauptete sich das „Schwelmer“ und wurde so zu einem Begriff, der nicht mehr wegzudenken ist. Auf regionalen und überregionalen Veranstaltungen fand sich stets der bekannte rote Wagen der Schwelmer Brauerei. Ein Schwelmer wuchs mit „Schwelmer“ auf. Doch auch die seit 1830 existierende Privatbrauerei geriet im Laufe der Jahre in die Krise. Seit 2008 reduzierte sich der Absatz des Bieres und trotz Mehrarbeit der Beschäftigten ohne Lohnausgleich kam das Unternehmen nicht aus den roten Zahlen. Die offizielle Begründung lautet, dass Großkunden das Schwelmer Bier aus dem Sortiment nahmen. Doch muss sich trotz nun engagierter Proteste auch jeder Einzelne fragen, wie oft er zuletzt wirklich noch zur „Schwelmer Flasche“ gegriffen hat. Ein seit zwei Jahren laufendes Insolvenzverfahren ergab dabei keine befriedigende Lösung; Investoren sprangen ab.

Ist etwas im Busch?

Doch wie es oft in solchen Situationen ist, Schwelmer Bier Foto: Sarah Bauerbrodelt die Gerüchteküche stark und der Wahrheitsgehalt über die Bemühungen, die Brauerei zu retten, steht bei den Bürgern infrage. Der Betriebsrat vermutet, dass die Brauerei nie ernsthaft gerettet werden sollte. Zum Teil belegte Pläne für ein Einkaufszentrum anstelle der Brauerei sollen bereits geschmiedet sein, was jedoch von den Verantwortlichen dementiert wurde. Ein halb leer stehendes Einkaufszentrum befindet sich zudem nur etwa 100 Meter von der Brauerei entfernt. Fraglich seien in diesem Zusammenhang auch die Bemühungen des Insolvenzverwalters Manfred Gottschalk, einen Investor für das angeschlagene Unternehmen zu finden. Interessenten gab es dabei ausreichend, dennoch kam es zu keiner Lösung. Der Betriebsrat erklärt zudem, dass der Rückgang des Absatzes nicht an den Produkten gelegen habe.

Schwelm kämpft für sein Schwelmer Bier

Wichtig ist nun erst einmal dassDemo Schwelmer Bier Foto:Mike Bergerhoff der Großhandel das Schwelmer Bier wieder in die Sortimente aufnimmt und ein Investor gefunden wird – sicher keine leichte Aufgabe. Doch die 32-köpfige inzwischen gekündigte Belegschaft der Brauerei ist ebenfalls bereit, weiter für das Unternehmen zu kämpfen und zu arbeiten. Die Voraussetzungen dafür sind noch gegeben: Gär- und Lagertanks sowie die Abfüllanlage sind betriebsbereit. Und ebenfalls bereit ist eine ganze Stadt. Für ihre Tradition zu kämpfen und mit Mut und Einsatz dagegen vorzugehen. Anfang September findet das überregional bekannte „Heimatfest“ in Schwelm statt, wo erneut für die Erhaltung des Wahrzeichens geworben werden soll. Die Hoffnung lebt, dass doch noch ein Investor mit Herz und Mut gefunden wird oder eine Genossenschaft zu stemmen ist, um dem Drama ein glückliches Ende zu setzen.

Infos & Termine zur Rettung der Brauerei:

Offizielle Homepage:
www.ploepp.net

Die Homepage des Fördervereins:
www.schwelmbrau.de

Die Facebook-Unterstützerseite:

https://www.facebook.com/groups/schwelmerfans/

(sarah bauer)

Bildquelle:
Sarah Bauer
Mike Bergerhoff

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