Hans Kleina wurde 1950/51 mit 25 Treffern
Torschützenkönig.

FC Schalke 04: Meister der Herzen – Meister der Schmerzen

Auf diesen Titel würde der FC Schalke 04 liebend gerne verzichten. „Meister der Herzen“ nennen viele Fans den Ruhrgebietsclub seit dem 19. Mai 2001. Damals waren die Schalke vier Minuten lang deutscher Meister – bis sie der FC Bayern München jäh aus allen Meisterschaftsträumen riss: Bayern-Verteidiger Patrik Andersson glich in der Nachspielzeit des 34. Spieltags beim HSV aus. 1:1. Bayern hatte den Knappen kurz vor der Zielgerade die Schale weggeschnappt. Ganz Gelsenkirchen versank in einem Tal der Tränen.

[wmp] Um kaum einen Hans Kleina wurde 1950/51 mit 25 Treffern
Torschützenkönig.anderen Verein rankt sich ein solcher Mythos wie um Schalke. S04 – der Arbeiterverein, der Inbegriff der hochgekrempelten Ärmel. Fußballhistoriker Ralf Piorr kennt den Grund. „Das ist der Verein des Westens, Schalke 04 hat das Ruhrgebiet erst auf die Fußballlandkarte gebracht!“ Er nennt S04 die echte Traditionsmannschaft im Kohlenpott, Schalkes Erzfeind Borussia Dortmund habe dagegen vor 1945 keine Rolle gespielt.

Goldene Jahre vor dem zweiten Weltkrieg

Zu dieser Zeit hatte der FC Gelsenkirchen-Schalke 1904 bereits sechs Meisterschaften errungen. Das goldene Zeitalter des Revierclubs begann am 24. Juni 1934, als der FC Schalke 04 im Meisterschaftsfinale auf den Rekordmeister 1.FC Nürnberg traf. In diesem Spiel machte sich ein gelernter Bergmann mit seinem 2:1-Siegtreffer kurz vor Spielende auf Schalke unsterblich: Ernst Kuzorra. Und das, obwohl Kuzorra kurz vorher im Spiel einen Leistenbruch erlitten und sich nur noch mit letzter Kraft über den Platz geschleppt hatte!

Kuzorra traf mit Leistenbruch

Abschied von Legenden: Fritz Szepan und
Ernst Kuzorra (v.l.) beenden 1950 ihre Karrieren.Nicht nur das machte „Clemens“, wie Kuzorra von seinen Kollegen gerufen wurde, zum großen Idol in Gelsenkirchen: Er war Mitbegründer des berühmten „Schalker Kreisels“ – einer Schalker Variante des Flachpassspiels – stand von 1915 bis 1950 ausschließlich für Schalke 04 auf dem Platz, war an allen sechs Vorkriegsmeisterschaften beteiligt und galt als Symbol Schalker Kampfkraft. Auch Spieler wie Fritz Szepan, Otto „Ötte“ Tibulski, Adolf Urban und Ernst Kalwitzki machten sich auf ewig einen Namen auf Schalke.

Berni Klodt: Held der Meisterelf von 1958

Die siebte und bislang letzte Schalker Meisterschaft nach dem Krieg ist untrennbar mit einem anderen Namen verbunden: Bernhard Klodt. 1926 in Gelsenkirchen-Bismarck geboren, debütierte Klodt 1943 als 16-Jähriger in der ersten Mannschaft. Später avancierte „Berni“ zum Star der Meisterelf von 1958: Er war Spielmacher, Torjäger und Mannschaftskapitän zugleich und legte mit zwei Toren den Grundstein für den 3:0-Finalsieg gegen den HSV.

„Für 300 Mark die Zukunft verkauft“

An die Erfolge der Dreißiger bis Fünfziger konnte Schalke 04 lange Jahrzehnte nicht mehr anknüpfen. 1972 schrammte Schalke zwar noch einmal knapp an der Meisterschaft vorbei, sorgte in diesen Jahren aber vorrangig für Negativschlagzeilen. Der Bundesliga-Skandal von 1973 erschütterte Fußball-Deutschland – auch Schalke-Spieler hatten Geld angenommen, um dafür zu sorgen, dass Arminia Bielefeld nicht absteigt. Für Fußballhistoriker Piorr ein Schlüsselereignis dafür, dass Schalke jahrzehntelang in die Bedeutungslosigkeit abglitt: „Anfang der Siebziger hatten die Schalker noch mal eine gute Mannschaft, mit dem Bundesliga-Skandal haben sich alles kaputt gemacht. Da haben Spieler für 300 Mark ihre Zukunft verkauft.“ Das DFB-Sportgericht verurteilte 13 Schalker – darunter Stützen wie Klaus Fichtel, Reinhard „Stan“ Libuda und Herbert Lütkebohmert – zu teils lange Sperren.

Erst seit den Neunzigern wieder stark

1981 verschwand Königsblau sogar erstmals von der Bildfläche der 1. Fußball-Bundesliga, nach Jahren als Fahrstuhlmannschaft etablierte sich Schalke erst 1991 wieder dauerhaft in der Beletage – und entwickelte sich wieder zu einer der führenden deutschen Fußballmannschaften. Große Erfolge wie der DFB-Pokalsieg von 2001 und bittere Niederschläge wie die haarscharf verpasste achte Meisterschaft im gleichen Jahr fallen in diese Ära – und auch der wohl größte Erfolg der Vereinsgeschichte: Am 21. Mai 1997 holten die legendären „Eurofighter“ zum ersten Mal den UEFA-Cup nach Schalke.

„Eurofighter“ schrieben Geschichte

Als krasser Außenseiter war Schalke zu Inter Mailand gereist – um dort vor 85 000 Zuschauern im Elfmeterschießen den Triumph klarzumachen: Mittelfeldakteur Mike Büskens erinnert sich noch gut an die unvergessene Pokalschlacht: „Die ganze Truppe war so heiß, die war so besessen. Wir wussten, wir konnten Geschichte schreiben. Und wir haben alles dafür getan.“ Auf den nächsten richtig großen Coup wartet der FC Schalke 04 allerdings bis heute – vor allem auf die erste deutsche Meisterschaft seit knapp 50 Jahren.

(Norman Stahl, WM-Portal Dortmund)

Fotos Der Pott ist rundaus „Der Pott ist rund“. Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Ralf Piorr. Lesen Sie zu diesem herausragenden Buch auch unsere Rezension zu Band 1 und Band 2.

Der Pott ist rund.
Das Lexikon des Revierfußballs
Band 1: Die Chronik 1945 bis 2005
Band 2: Die Vereine – 1945 bis 2005

Ralf Piorr (Hg.), Essen 2005 und 2006,
Klartext-Verlag, jeweils 29,95 Euro,
Band 1: ISBN 3-89861-358-5
Band 2: ISBN 3-89861-356-9

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