Überraschend holte Schwarz-Weiß Essen, der bürgerliche Traditionsverein, 1959 den DFB-Pokal. Dennoch steht der ETB Schwarz-Weiß Essen seit Ende des Zweiten Weltkrieges im Schatten seines Ortsrivalen Rot-Weiss Essen.
[wmp] Das größte Spiel in der Vereinsgeschichte von Schwarz-Weiß Essen ist nicht etwa das Finale im DFB-Pokal 1959. Es ist das Halbfinale. Auswärts, als krasser Außenseiter beim Norddeutschen Meister Hamburger SV. Mit enormem Kampfgeist gewannen die Schwarz-Weißen mit 2:1 nach Verlängerung. Dramatisch war besonders die Schlussphase der Begegnung. Essens Torhüter Hermann Merchel zog sich bei einer gefährlichen Abwehraktion eine Kopfverletzung zu und musste behandelt werden. Verteidiger Karl-Heinz Mozin stellte sich vertretungsweise zwischen die Pfosten. In einer brenzligen Situation soll Mozin dabei HSV-Angreifer Charlie Dörfel die Hose herunter gezogen haben, um den Nationalstürmer zu irritieren. Diese Schlitzohrigkeit zahlte sich aus, der ETB rettete den Sieg über die Zeit und stand im Pokalfinale.
Bürgerlicher Traditionsverein
„Schwarz-Weiß Essen ist das Paradebeispiel für einen bürgerlichen Fußballverein: gegründet von Mittelständlern, Kaufleuten und Angestellten. Spötter bezeichneten den ETB gerne als Lackschuhverein. Die Spieler sollen sich angeblich untereinander mit Sie angesprochen haben“, sagt der Fußballhistoriker Ralf Piorr. Hervorgegangen ist die Fußballabteilung im Jahr 1900 aus dem Essener Turnerbund. Bis in die 20er Jahre hinein dominierte Schwarz-Weiß den Fußball in Essen. Dann gab es die ersten Erfolge der Arbeitervereine BV Altenessen 06 und Rot-Weiss Essen. Vor allem mit den Rot-Weissen aus dem Arbeiterstadtteil Bergeborbeck pflegte der ETB eine große Rivalität. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg RWE 1948 in die Oberliga West auf, Schwarz-Weiß konnte erst drei Jahre später in die höchste Klasse folgen. Und die Männer vom Uhlenkrug – so der Name des bis zu 20.000 Plätze bietenden Stadions im reichen Essener Süden – standen von da an im Schatten des Ortsrivalen. „Der ETB besaß weder ein vergleichbares Zuschauerpotenzial noch konnte er entsprechende sportliche Erfolge aufweisen. So blieb er das Stiefkind in der Stadt“, erklärt Piorr.
Bekannte Namen haben hier Fußball spielen gelernt
Daran änderte auch das Pokalendspiel in Kassel im Jahr 1959 nichts. Es konnte bei weitem nicht so viel Spannung bieten wie das Halbfinale. Nach 80 Minuten führte Schwarz-Weiß Essen mit 5:0 gegen Borussia Neunkirchen. Im Gefühl des sicheren Sieges ließen die Essener noch zwei Gegentore zu. Am Pokaltriumph änderte das nichts mehr. Doch es sollte bis heute der einzige bedeutende Titel in der mehr als 100-jährigen Vereinsgeschichte bleiben. Bereits ein Jahr später stieg der ETB in aus der Oberliga West ab. Für die neu geschaffene Bundesliga wurden die Schwarz-Weißen 1963 nicht berücksichtigt. Heute kicken die Essener in der viertklassigen Oberliga Nordrhein. Bekannt sind sie allerdings für ihre gute Jugendarbeit. So haben Jens Lehmann oder Oliver Bierhoff, Torhüter und Teammanager der deutschen Nationalmannschaft, hier Fußball spielen gelernt.
(Jens Witte, WM-Portal Dortmund)
Fotos aus „Der Pott ist rund“. Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Ralf Piorr. Lesen Sie zu diesem herausragenden Buch auch unsere Rezension zu Band 1 und Band 2.
Der Pott ist rund.
Das Lexikon des Revierfußballs
Band 1: Die Chronik 1945 bis 2005
Band 2: Die Vereine – 1945 bis 2005
Ralf Piorr (Hg.), Essen 2005 und 2006,
Klartext-Verlag, jeweils 29,95 Euro,
Band 1: ISBN 3-89861-358-5
Band 2: ISBN 3-89861-356-9