Carlos und Lizzy

DIE TRÄNEN MEINER MUTTER

Am 6. November startete der deutsch-argentinische Film „Die Tränen meiner Mutter“ von Alejandro Cardenas Amelio in den Kinos. Er handelt von Flucht, einer skurrilen WGs, telekinetischen Fähigkeiten – einfach von den eigenen Regeln einer Familie. Hier erzählt der Regiesseur über den Film.

[ruhr-guide] Ende der 70er Jahre mussten Carlos und LizzyCarlos (Rafael Ferro) und Lizzy (Erica Rivas) zusammen mit ihrem Sohn Alex (Adrian Goessel) vor der argentinischen Militärjunta fliehen: Der Bruder von Lizzy war verhaftet worden, nun versuchten sie, dem gleichen Schicksal zu entgehen. Nach ein paar Zwischenstopps landen sie in Europa im West-Berlin der 80er Jahre. Alex fallen zu Anfang vor allem die Hunde auf: Unmengen scheint es von ihnen zu geben, und die deutsche Sprache ähnelt ihrem Gebell. Um Geld zu sparen, ziehen Alex und seine Eltern in eine Fabriketage. Lizzy macht Fernsehbeiträge über die Hausbesetzungen dieser Zeit, Carlos versucht als Straßenverkäufer Touristen seine Zeichnungen der Gedächtniskirche anzudrehen. Alex besucht eine deutsche Schule, am ersten Tag begrüßt ihn die Klasse in Poncho und mit Panflöten, und Alex erfährt, was deutsche Regeln bedeuten.

Obwohl er sich in dem kalten Land am Anfang nicht wirklich wohl fühlt, gewöhnt sich Alex schnell an Berlin: Die große Fabriketage mitsamt bunter Wohngemeinschaft ist für ihn eine warme, heimatliche Insel. Außer seiner Familie wohnen dort noch Micha (Kristian Kiehling), der große blonde Kameramann mit dem Glasauge, der ständig neuen, hübschen Damen das Herz bricht, dann der Fotograf Jürgen (Joachim Paul Assböck), das eigenbrötlerische Punkmädchen Sik (Alice Dwyer), der halbgelähmte, ehemalige Trickbetrüger Günther (Volkmar Kleinert) und sein Pfleger Andreas (Roman Russo). Etwas später zieht Jürgens spanische Freundin Anita (Toni Gomis Chaparro) dazu. Sie essen gemeinsam an einem großen Tisch im riesigen Ess-, Wohn- und Kochbereich ohne Wände und vertreiben sich abends die Zeit zusammen.

Als seine Mutter Alex eines Tages beim Kochen darum bittet, ihr ein Gewürz herüberzureichen, merkt Alex, dass er über telekinetische Kräfte verfügt. Wenn er sich konzentriert, kann erSkurrile WG Dinge in die Luft steigen lassen. Streichhölzer bringt er sogar dazu, sich von selbst zu entzünden. Als er seine Fähigkeit in der Schule vorführen will, stellt ihn die Lehrerin und schreibt seinen Eltern einen Brief. Dieser Brief provoziert einen Streit zwischen seinen Eltern, in dem klar wird, dass sich bei seinem Vater Carlos nach und nach eine gewisse Unzufriedenheit eingeschlichen hat: Er vermisst Argentinien und denkt darüber nach, dorthin zurückzukehren. Lizzy sieht dagegen keine Zukunft in dem immer noch militärregierten Land. Alex beschließt, seine Gabe nur noch im Geheimen zu benutzen …

INTERVIEW MIT ALEJANDRO CARDENAS AMELIO

Wie autobiografisch ist der Film?
Viele Sachen waren wirklich so. Ich bin kurz vor dem Mauerfall mit meiner Mutter und meinem Stiefvater, der auch wirklich Illustrator war und am KuDamm Bilder verkauft hat, in Deutschland gelandet. Wir haben in einer WG in der Crellestraße in Schöneberg gewohnt, zusammen mit anderen, die auch auf der Straße Dinge verkauft haben, unter anderem einem sehr jungen Kameramann, der mit meiner Mutter, die Journalistin war, seine ersten Kameraerfahrungen gesammelt hat. Der hat bei meinem Film jetzt übrigens Steady Cam Operator gemacht! Die Basis für diesen Film ist also quasi meine eigene Geschichte gewesen.

Der Protagonist in ihrem Film kann Dinge bewegen, ohne sie zu berühren… Glauben
Sie an Telekinese?

DIE TRÄNEN MEINER MUTTERMeine Mutter behauptet ja, ich habe das früher wirklich gekonnt! Sie schwört darauf!
Ich habe das später als Erwachsener dann natürlich probiert, mich stark konzentriert,
habe aber solche Kopfschmerzen bekommen, dass es nicht mehr ging. Meine Mutter
sagte mal, sie hätten diese Fähigkeiten damals nicht forciert, weil sie nicht gewollt
hätte, dass ich ein medizinisches Versuchsobjekt würde …

Das würde ich doch sofort reanimieren, das ist doch toll!
Absolut. Ich habe mich damit viel beschäftigt, es ist anscheinend bewiesen, dass im Gehirn von Kindern sehr viele Synapsen einfach anders gekoppelt sind als beim Erwachsenen, man sagt, dass Kinder eine ganz andere Herangehensweise und Affinität zu Dingen und zu Regionen des Gehirns haben, die sie später nicht mehr benutzen.

Welche Funktion hat diese Fähigkeit denn in dem Film?
Für mich war es einfach wichtig, dass es ein Teil aus einer Kinderwelt ist, an den kein Erwachsener glaubt. Alex schafft es auch nicht, es einem Erwachsenen zu zeigen, das heißt diese besondere Fähigkeit bleibt in seiner Welt. Ob er’s nun wirklich kann oder nicht sei dahingestellt, darum wollte ich es auch nicht als etwas Pompöses, als 17 den Mittelpunkt des Films darstellen. Nichtsdestotrotz macht jene Macht eben diese Tür auf, die alles kaputt macht, was er die ganze Zeit versucht hat zu verhindern. Und somit fühlt er sich schuldig für das, was dann passiert.

DIE TRÄNEN MEINER MUTTER

Ein Film von Alejandro Cardenas Amelio
Nach einem Drehbuch von Cuini Amelio-Ortiz und Alejandro Cardenas Amelio
Mit Adrian Gössel, Rafael Ferro, Erica Rivas, Alice Dwyer, Fabian Busch u. a.
Kinostart: 06. November 2008

(sl)

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