Am 21. August startete ein ganz besonderes Stück Film in den deutschen Kinos. Jiří Menzels „Ich habe den englischen König bedient“ ist eine außergewöhnliche Comédie humaine voller Überraschungen und feingeistiger Chuzpe über die Stärken und Schwächen der menschlichen Seele, über das Leben und nichts anderes. „Ich habe den englischen König bedient“ läuft u. a. im Bochumer Kino Casablanca.
[ruhr-guide] Vom hintersinnigen Schelmenroman zum prallen cineastischen Schelmenstreich: Nach dem
gleichnamigen Bestseller von Bohumil Hrabal erzählt der tschechische Meisterregisseur Jiří
Menzel mit funkelndem Witz und warmherzigem Charme vom Aufstieg und Fall eines kleinen
Mannes mit großer Ambition. Lebenshunger, versponnene Höhenflüge und Schicksalsschläge
porträtieren einen tragikomischen „Hans im Glück“, weit weg vom tschechischen
Klischee des braven Soldaten Schweijk.
Heiter und traurig, (be)sinnlich und bildgewaltig jongliert der Oscar-Preisträger (1968 für die
Hrabal-Verfilmung „Liebe nach Fahrplan“) mit Zeiten und Identitäten. Durch den
souveränen Balanceakt zwischen Wahnsinn der Naziherrschaft und schwarzem
Überlebenshumor, der hinreissenden Mischung aus doppelbödiger Ironie und pointenreicher
Überzeichnung gelingt Menzel eine brillante Tragikomödie über die Schreckensperiode des
vergangenen Jahrhunderts.
Die Geschichte
Tschechien in den 1920er Jahren. Der junge Jan Dítě (Ivan Barnev) hat als gerissener
Bahnhofs-Würstchenverkäufer seine eigene Masche, um an Geld zu kommen. Das
Wechselgeld hat er nie schnell genug parat. Sein gutmütiger Kunde Walden (Marián Labuda)
im abfahrenden Zug hat das Nachsehen. Geld scheint etwas Mächtiges zu sein. Schließlich
bringt es Walden zur Weißglut, wenn er es nicht zurückbekommt. Schließlich gieren alle
danach und sie bücken sich, wenn Jan Dítě ihnen heimlich ein paar Münzen vor die Füße
wirft. Er beschließt, Millionär zu werden – eine große Ambition für einen kleinwüchsigen
Mann aus einer kleinen Stadt.
Als Provinzkellner poliert er Biergläser und serviert fleißig, was bei den Gästen gut ankommt, aber weniger bei den Kollegen. Oft kriegt er eine Kopfnuss, wenn er nur noch Augen für die holde Weiblichkeit hat, die ihn auch schon mal in Satin und Seide verführt. Sein Ehrgeiz und sein Erfolg sorgen für Neid bei den Kleinstadtbewohnern, sodass er sein Glück woanders versuchen muss. In der Nähe von Prag findet er Arbeit in einem Luxushotel. Hier geht die tschechische Crème de la Crème in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein und aus. Er begegnet einer Gesellschaft der Reichen und Schönen beim Tanz auf dem Vulkan, die Champagner schlürft als wäre es das letzte Mal und sich nicht um Moral schert, mit echten Dollarscheinen dicke Zigarren anzündet und exzessiv schlemmt und säuft.
Der kleine Mann ist fasziniert von der Hemmungslosigkeit und Sorglosigkeit der dekadent-luxuriösen Existenz, für ihn eigentlich unerreichbar, was das Ganze noch verführerischer macht. Um seinem Millionärs-Traum Stück für Stück näher zu kommen, nimmt er eine Arbeit in einem eleganten „Art Nouveau“-Etablissement in Prag an, wo er lernt, wie sich ein exklusiver Kellner kleiden und verhalten muss und vom Oberkellner Skrivanek (Martin Huba) ausgebildet wird, der scheinbar alle Sprachen spricht, sogar koreanisch. Eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Schließlich hat er schon den englischen König bedient …
Ich habe den englischen König bedient
Ein Film von Jiří Menzel
Nach dem Erfolgsroman von Bohumil Hrabal
Mit Ivan Barnev, Oldřich Kaiser, Julia Jentsch uvm.
Tschechien, Slovakei 2006 / 120 min.
Kinostart 21. August 2008