Stephanie Überall und Gerburg Jahnke von den Missfits lesen das Buch von Peter Erik Hillenbach und schaffen mit ihrer unnachahmlichen Sprache ein Hörbuch der Extraklasse. Hierin wird das Bild vom Ruhrgebiet ohne die großen Namen der Industriellen gezeichnet, sondern das typische der Region und seiner ganz typischen Bewohner beschrieben.
[ruhr-guide] Wer ist nicht schon einmal verzweifelt mit einer unverständlichen Gebrauchsanweisung in der Hand. Es gibt sie für die einfache Küchenmaschine, das komplizierte High-Tech-Multimedia-Gerät oder das Möbelstück zum selber bauen. Aber eine Gebrauchsanweisung für eine Region mit ungefähr fünf Millionen Einwohnern? In der 235 Kilometer langen Einleitung outet sich der Autor als berufsjugendlicher Mittvierziger mit journalistischem Background, der in Langendreer und auf dem Riemker Tippelsberg aufwuchs und in seiner Schulzeit neun Jahre von Herne aus durch die U-Bahn-Baustellen zur Goetheschule nach Bochum fuhr. Und schon früh erkannte er, dass es einfach großen Spaß macht, im Ruhrgebiet zu leben.
Dennoch, vor dem Hintergrund seiner Kindheit und Jugendzeit im Ruhrgebiet, verschont Peter Erik Hillenbach den Zuhörer mit Nostalgie, ohne sich aber zu einem Sachbuch hinreißen zu lassen. Er erklärt in einer frischen und bisweilen frechen Sprache die Kleinigkeiten, die einem Ortsfremden die Tränen in die Augen treiben könnten, wie beispielsweise den hier herrschenden Lokalpatriotismus. Der Mensch im Ruhrgebiet lebt nämlich in erster Linie in seinem Dorf – in Disteln, Buer, Langendreer oder Wambel – und auf nächster Ebene identifiziert er sich nicht mit seiner Stadt Herten, Gelsenkirchen, Bochum oder Dortmund, sondern mit dem Ruhrgebiet als Ganzes. Und die in den letzten Jahren erworbene globale Urbanität drückt sich in der Möglichkeit aus, an jeder Ecke seinen Latte Macchiato trinken zu können, ganz so wie in Hamburg, Frankfurt, Stuttgart oder München. Gleichzeitig verwechselt der Mensch im Ruhrgebiet aber den Begriff Stadt „mit der Anhäufung preisaggressiver Discounter mit nutzlosem Sortiment“ und ärgert sich über milliardenschwere Bauprojekte, wie am Beispiel des futuristischen Bahnhofsumbaus in Dortmund, denn „ordentliche Toiletten, sauber und preiswert, eine Bratwurst und eine Zeitung“, reichen doch völlig aus.
Dass Peter Erik Hillenbach sich in das Ruhrgebiet verliebt hat, wird in jedem seiner acht Kapitel deutlich. Aufklärend und höchst amüsant erklärt er die kurze Geschichte der Region, vom Aufstieg und Fall der Industrie und das Resultat aus dieser Zeit: den Strukturwandel mit seiner Industriekultur. Weiter geht es in der Gebrauchsanweisung um die Boulevards in jeder Stadt, den Familiengedanken und den Dauerstau, den Nationalsport Fußball oder Freizeitaktivitäten. All seine Ausführungen werden untermauert durch genaueste Beobachtung einzelner Menschentypen, die das Ruhrgebiet zwar nicht stellvertretend repräsentieren, hier und da aber dennoch anzutreffen sind. Mit den beiden Missfits Stephanie Überall und Gerburg Jahnke wurden für das Hörbuch die besten Stimmen aus dem Ruhrgebiet gewonnen, die Hillenbachs niedergeschriebene Ruhrpottsprache in bester Manier wiedergeben, ohne dabei aufgesetzt zu wirken.
Fazit: Die Gebrauchsanweisung für das Ruhrgebiet gehört in jede Sammlung! Dieses Hörbuch schafft ein gelungenes Bild des Ruhrgebiets.
Stephanie Überall & Gerburg Jahnke (Missfits) lesen
„Gebrauchsanweisung für das Ruhrgebiet“
von Peter Erik Hillenbach
tacheles! ein Label der ROOF Music GmbH
Buchhandel: Eichborn Verlag
ISBN 3-936186-82-0, 2-CD-Schuber, 17,50 Euro
(sl)