Schon wieder ein Ratgeber. Könnte man denken. Doch „Überleben auf Festivals“ geht die Sache ganz anders an. Was Oliver Uschmann in seinem aktuellen Werk beschreibt, ähnelt eher einem humoristisch-sachlichen Register, das die verschiedensten Typen von Festivalbesuchern, Bands und Sitten auf dem Gelände beleuchtet. Wer selbst schon einmal eines jener mehrtätigen Open Air Events besucht hat, wird schnell feststellen, dass der Autor aus Erfahrung spricht. Wer bisher noch ein Neuling auf diesem Terrain ist, sollte den Backstage Pass auf der Rückseite des Einbandes dazu nutzen, sich einen detaillierten Eindruck zu verschaffen. Natürlich nicht, ohne zu schmunzeln.
[ruhr-guide] Klischees gibt es viele über die Besucher von Festivals. Doch wer sind sie wirklich, die Retro-Rocker, die Jünger oder die Bettys? Auf den ersten hundert Seiten des Buchs „Überleben auf Festivals“ mit dem Untertitel „Expeditionen ins Rockreich“, findet der Leser zu beinahe jedem Typen – ob Gaskartuschen schmeißendem Vandalen oder der sich stets um alle kümmernden Krankenschwester – eine kurze Beschreibung. Mitgeliefert wird am Ende jedes nur wenige Seiten langen Eintrags eine Liste über die charakteristischen Songs, das Motto und den gebotenen Umgang mit dem jeweiligen Besucher. Natürlich bekommen anschließend auch noch die Bands ihr Fett weg. Wen es dann noch interessiert, was es mit den Riten der Bierrutsche, des Bändchentragens und des Obstverbotes auf sich hat, sollte das Buch nicht so schnell aus der Hand legen, zumal einige Einträge mit aussagekräftigen schwarz-weiß Fotos aus der bunten Realität illustriert sind.
Vom Autor von „Hartmut und ich“
Autor Oliver Uschmann war selbst ein ganzes Jahrzehnt lang als Fan auf Festivals unterwegs. Der Schriftsteller und Musikjournalist erlebte noch die Zeit, als sich die Besucher um eine Telefonzelle herum drängten und nicht nachts im Zelt noch schnell ihren Facebook-Status vom Smartphone aus aktualisierten. Der 35-Jährige, der bereits die erfolgreiche Reihe „Hartmut und ich“ schuf, beweist in „Überleben auf Festivals“ seinen Sinn für Genauigkeit. Haarklein seziert er die Gewohnheiten und Eigenschaften des Spießers, der kurz vor dem Konzert des Headliners noch eben einen Blick in sein Biologiebuch wirft. Das Mitbringen und Stehenlassen von Couchgarnituren. Die ungeheuer teuren Imbissbuden auf dem Gelände.
„Überleben auf Festivals“ – mit Humor
Seine überspitzten Darstellungen treffen immer ins Schwarze. Uschmann weiß, wovon er spricht. Der Humor ist fein dosiert und verläuft zwischen den Ebenen der augenzwinkernden Sachlichkeit und der maßlosen Übertreibung. Selten lacht man schallend, doch oft kann sich der Leser ein breites Grinsen und zustimmendes Nicken nicht verbeißen. Zum Teil geraten Uschmann die Klassifizierungen ein wenig zu langatmig. Wer die betreffenden Personen, skurrilen Gebräuche und Fahrzeuge nicht selbst schon einmal live erlebt hat, wird möglicherweise die ein oder andere Seite am Ende eines Abschnitts überschlagen.
Vergebliche Suche nach Wacken
Mit „Überleben auf Festivals“ gelingt dem Autor ein allgemeiner, witziger und umfassender Überblick über sämtliche Kuriositäten, die einem während einer solchen Veranstaltung begegnen können. Eine Unterteilung nach speziellen Festivals, wie Wacken, das Hurricane oder Rock am Ring, findet man in seinem 368 Seiten langen Buch dagegen nicht.
Kurz und pointiert
Für bereits erprobte Festivalgänger ist „Überleben auf Festivals“ wie ein Flug über das Gelände; wie ein Zerrspiegel, in dem man sich zwar selbst ganz deutlich erkennt, jedoch auch darüber schmunzeln kann. Neueinsteiger können sich mit dem Nachschlagewerk auf den ersten Sommer in der Wildnis einstellen, sollten es dabei jedoch nicht zu bierernst nehmen.
Und weil Uschmann in seiner Abhandlung auf lange Kapitel verzichtet, eignet sich das Buch auch für Momente mit wenig Zeit. Für einen Crashkurs in der Wartezeit zwischen Gurkensalat und Grill, Motörhead und Metallica oder für den Moment, in dem man am Abbau seines Wurfzeltes verzweifelt.
Überleben auf Festivals – Expeditionen ins Rockreich
Oliver Uschmann
368 Seiten
12,99 €
ISBN: 978-3-453-26808-1
(sarah bauer)
Bildquelle:
Sarah Bauer (Bild 1)
www.hartmut-und-ich.de