Clint Eastwood ist eine Legende. Seit einer gefühlten Ewigkeit arbeitet der Schauspieler und Regisseur erfolgreich beim Film und schafft immer wieder das Kunststück, bei Kritik und Publikum gleichermaßen gut anzukommen. Die Regalbretter in Eastwoods Wohnzimmer biegen sich vor lauter Auszeichnungen, die sein Lebenswerk ehren. Am 31. Mai wurde „Dirty Harry“ 80 – Grund genug für den Filmkritiker Richard Schickel seinem Freund ein ganz persönliches Denkmal zu setzten: Sein simpel mit „Clint Eastwood“ betiteltes Mammut-Werk ist im Edel Verlag erschienen und bereits im Handel erhältlich.
[ruhr-guide] Es braucht schon eine Pranke wie die von Harry Callahan, Eastwoods Erfolgsfigur aus den „Dirty Harry“-Filmen, um dieses gewichtige Buch zu stemmen. Das knapp 30 x 25 cm große Werk ist mit 288 Seiten ein wahrer Schmöker geworden. Im edlen Hardcover eingebunden, macht das Buch einen qualitativ hohen Eindruck, der sich nach dem ersten Aufschlagen bestätigt. Das griffig-starke Papier verträgt auch häufiges Durchblättern ohne Schaden zu nehmen. Mit einem sehenswerten Cover, einer Collage aus drei Gesichtsaufnahmen im Profil, wird der gut verarbeitete Band zum Hingucker im Bücherregel eines jeden Cineasten.
Der Aufbau
Der mit 250 zum Teil großformatigen Abbildungen gespickte Band vom Richard Schickel ist von vorne bis hinter durchdacht strukturiert. Der Autor legt in einer detaillierten, 26 Seiten starken Einleitung, den Grundstein zum Hauptteil. In seinen einführenden Formulierungen geht Schickel neben den wichtigen Wendepunkten in den frühen Karrierejahren Eastwoods immer wieder auf seine eigene Beziehung zum Hollywoodstar ein und gibt einige Anekdoten von gemeinsamen Treffen preis. Der Hauptteil ist chronologisch nach Erscheinungsdaten der Eastwood-Filme genordet und erzählt detailgenau das Leben des „Protagonisten“ nach. Bevor der Textteil so richtig in Fahrt kommt, richtet der Meister in seinem selbstverfassten Vorwort einige Ausführungen an den Leser.
Das Buch wird von Schickel selbst nicht als handelsübliche Biografie sondern als Retrospektive beschrieben, eine Unterscheidung die beim der Lektüre des Textes durch eine fehlende Distanz zum Beschriebenen deutlich wird. Der Autor macht von Beginn an keinen Hehl aus der Verehrung, die er seinem Freund Clint entgegen bringt und so darf der Leser keine kritische oder unabhängige Betrachtens des Eastwoodschen Lebenswerks erwarten, sondern vielmehr eine Schilderung persönlicher Eindrücke folgen aufeinander, die mit intimen Anekdoten und vielen Insider-Hintergründen gespickt ist. Der hohe Unterhaltungswert schmäler jedoch nicht den ausgiebigen Informationsgehalt des Textes, der zudem überaus gut zu lesen ist.
Von Anfang an
Wie es sich für eine Retrospektive zum 80. Geburtstag gehört, setzt die Vorstellung des Akteurs in dessen Kindheitsjahren ein und beginnt vor allem in der Anfangszeit der Filmlaufbahn interessant zu werden, da neben dem persönlichen Werdegang Eastwoods auch die damalige Struktur der US-Filmwirtschaft beschrieben wird. Dies ist selbstredend für jeden Film- oder Hollywoodinteressierten ein willkommener film- und medienhistorischer Zusatz, denn so wird klar, auf welchen Grundlagen die Weltkarriere des „Dirty Harry“-Mimen basierte und weshalb diese entsprechend bemerkenswert ist. Schickel erzählt von Clints ersten Gehversuchen in den USA, seiner wegweisenden Entscheidung im italienischen Spagetti-Western zu agieren und dem nun wachsenden Starimage, dem durch die „Dirty Harry“-Filme der letzte „Kick“ verpasst wurde.
Der Anspruch auf Vollständigkeit
Doch nicht nur Eastwoods Engagements vor den Kameras ist Thema, sondern auch die Verwirklichung seines Traums, selbst Regie zu führen. Die Retrospektive schließt an den einleitenden Teil mit einer chronologischen Aufarbeitung der Eastwood-Werke an, die nie den Fehler macht, sich auf simple Filmrezensionen zu reduzieren sondern immer den Gesamtkontext und das fortschreitende Lebenswerk in die Betrachtungen mit einbezieht. Die Entwicklung vom Arbeiter-Sohn zum weltweit respektierten Filmemacher ist hervorragend und verständlich nachgezeichnet, der Autor versorgt den Leser mit umfassend aufbereiteten Fakten.
Nahezu alle entscheidenden Wendungen um beruflichen aber auch privaten Leben Clint Eastwoods werden aufgearbeitet. Der Inhalt reicht vom Oscargewinn für „Erbarmungslos“ über die durchaus unterschiedlichen Werke „Mystic River“ oder „Mitternacht im Garten von Gut und Böse“ bis zu den späten Arbeiten „Flags of our Fathers“, „Letters from Iwo Jima“, „Gran Torino“ oder sogar der aktuellen Regie-Arbeit „Invictus“. Hintergründig beschreibt Schickel zudem den typischen Stil, der Eatswoods Herangehensweise definiert und lässt immer dessen Leitthemen in seine Betrachtungen einfließen. Das der „Protagonist dabei oft viel diskutierte Themen bearbeitet und nicht selten klar Stellung bezieht, schärft Eastwoods Profil als Filmer mit starkem Rückgrad.
Toll aufbearbeitet
Die Retrospektive „Clint Eastwood“ zeichnet demnach ein detailliertes Bild eines Stars, der in den vielen Jahren seiner Arbeit neben einem konturenreichen persönlichen Profil einige der anspruchsvollsten und erfolgreichsten Filme Hollywoods hervorbrachte. Clint, wir schließen uns den Gratulationen an und verbeugen uns mit Schickel vor der immensen Leistung für den Film und uns Fans. Jedem Eastwood-Interessierten aber auch jüngeren Fans ist dieser reich bebilderte und vor Informationen strotzende Band empfohlen, denn er zeigt das Lebenswerk eines kreativen Arbeiters, der auch mit 80. Jahren noch nicht zum alten Eisen gehört. Man darf gespannt sein, was der Eastwoodschen Kreativ-Ader noch entspringen mag. Sein Freund Richard Schickel wird schon dafür sorgen, dass alles Zukünftige ähnlich toll aufbereitet wird, wie seine hier vorliegende Retrospektive mit dem Titel „Clint Eastwood“.
Edel Verlag Deutschland
erschienen: 19.04.2010
288 (250 Bilder)
ISBN 9783941378582
EUR 49,95
(mo)
Fotos: (c)The Kobal Collection (Warner Bros.)