Zum dritten und letzten Mal findet die Ruhrtriennale dieses Jahr unter der Leitung des niederländischen Intendanten Johan Simons statt. Das Festival der Künste steht während dieser Spielzeit unter dem Leitmotiv „Seid umschlungen“, das sich über die drei Jahre wie ein roter Faden durch die einzelnen Veranstaltungen der sechswöchigen Spielzeit zieht. Ehemalige Industriehallen der Metropole Ruhr werden zum Spielort für Musiktheater, Schauspiel, Tanz, Musik und Kunst-Installationen bei diesem außergewöhnlichen Kulturfest.
[ruhr-guide] Eine Zeit der inspirierenden Begegnungen und gemeinsame Erfahrungen. Vom 18. August bis 30. September 2017 werden 41 verschiedene Produktionen an insgesamt 14 unterschiedlichen Spielorten in der Metropole Ruhr zu sehen sein. Es steht wieder ein breites Spektrum von Musiktheater, Schauspiel, Tanz, Kunstinstallationen und Konzerten auf dem Programm, die – typisch für die Ruhrtriennale – mit den starren Regeln des Etablierten spielen und neue, visionäre und innovative Wege in die darstellende Kunst weisen. Als krönender Abschluss der dreijährigen Leitung von Intendant Johan Simons werden einige auf drei Jahre angelegte Projekte diesen Sommer ihr Ende finden.
“Seid umschlungen“
Die künstlerische Leitung von Johan Simons steht unter dem Leitmotiv „Seid umschlungen“. Diese zwei Worte aus Schillers „Ode an die Freude“ sollen eine Geste sowohl der künstlerischen, als auch der geografischen und gesellschaftlichen Umarmung darstellen. Die Émile Zola-Trilogie von Luk Perceval und die Dante-Trilogie von Richard Siegal betonen den Drei-Jahres-Zyklus der Ruhrtriennale. Projekte wie das Kunstdorf „The Good, the Bad and the Ugly“, welches wieder das Festivalzentrum bildet, das vielseitige und kostenlose Programm im Refektorium und die Verknüpfung von lokalen mit globalen Themen soll neue Zielgruppen für die Ruhrtriennale begeistern. Passend zum Leitmotiv seiner gesamten Intendanz stellt Johan Simons dieses Jahr zusätzlich die Worte „Freude“, „schöner“, „Götterfunken“ über die Spielzeit, die ebenfalls aus der „Ode an die Freude“ von Schiller stammen. Dahinter verbirgt sich die Frage, ob diese Begriffe in den gegenwärtig so unsteten Zeiten noch Hoffnung in uns wecken können. Johan Simons rückt Utopien und Zukunftsvisionen in den Fokus des diesjährigen Programms und fragt: „Was empfinden wir, wenn wir an die Zukunft denken? Freude? Verspricht sie, schöner zu sein? Haben wir noch Götterfunken in uns, um Utopien zu verwirklichen?“
Die Geschichte der Ruhrtriennale
Schon während der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA) wurden viele Industriedenkmäler für die Kultur entdeckt. Als diese dann nach zehn Jahren 1999 endete, schien der nächste Schritt aus heutiger Perspektive naheliegend. Dennoch dauerte es drei Jahre, bis 2002 die Ruhrtriennale in ihre erste Spielzeit startete. Die alten Hallen und stillgelegten Zechen, die im Zuge der IBA positiv ins Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt waren, stellen bis heute mit ihrer einzigartigen Ästhetik die idealen Spielstätten für dieses Festival der Künste dar. Von Beginn an prägen die künstlerische Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Geschehnissen die Ruhrtriennale ebenso wie die spartenübergreifende und innovative Konzeption der gezeigten Produktionen. Genregrenzen-durchbrechende darstellende und bildende Kunst vor den einzigartigen Kulissen stillgelegter Industrieanlagen wurde seitdem zum Aushängeschild der Ruhrtriennale. Den Grundstein dafür legte der erste Intendant Gerard Mortier, als er genreübergreifend bildende Künste, klassische und moderne Unterhaltungsmusik, Literatur, Oper und Theater ins Programm nahm und dem Festival so ein breites Spektrum eröffnete, das bis heute kennzeichnend ist. Der Dialog zwischen Produktion und Aufführungsort war prägend für den ersten Zyklus der Ruhrtriennale. 2005 wurde dann Jürgen Flimm Intendant der Ruhrtriennale, und blieb es durch den Tod von Maria Zimmermann ausnahmsweise für vier Jahre. Er machte die Auseinandersetzung zwischen Moderne und den historischen Epochen Romantik, Barock und Mittelalter zum Thema seiner Intendanz. 2008 folgte dann das Motto „Aus der Fremde“. Opernregisseur Willy Decker rückte als Intendant in den Jahren 2009 bis 2011 das Spannungsfeld zwischen Kunst, Kreativität und Religion in den Fokus der Ruhrtriennale. Nacheinander thematisierte er jüdische, islamische und buddhistische Ideen. Zuletzt lenkte der Theatermacher und Komponist Heiner Goebbels während seiner Intendanz in den Jahren 2012 bis 2014 den Blick auf moderne Entwicklungen in der internationalen kunstschaffenden Szene.
Festival der Künste
Als Festival der Vielfalt präsentiert die Ruhrtriennale 2017 Musiktheater, Schauspiel, Installation, Tanz und Musik auf gewohnt unkonventionelle Art und Weise. Es wird wieder ein breiter Bogen zwischen Genres und Epochen gespannt. Zum dritten und letzten Mal wird am Eröffnungswochenende „Ritournelle“ gefeiert, das Festival im Festival. Für eine Nacht verwandelt sich das Gelände der Jahrhunderthalle in Bochum in ein Festivalgelände der Extraklasse. Bis in die frühen Morgenstunden spielen auf insgesamt vier Bühnen verschiedene Bands, Live-Acts und DJs eine bunte Mischung quer durch die unterschiedlichen Stilrichtungen der zeitgenössischen elektronischen Pop-Musik. Eine Brücke durch die Zeit schlägt die Choraufführung „Memoria“. Eine polyfone Totenmesse aus der spanischen Renaissance trifft auf ein Chorwerk, das zum Gedenken der jüdischen Opfer des Holocaust geschaffen wurde. Zahlreiche weitere Choraufführungen und Konzerte eröffnen ein weites Feld der Musikstile von der Renaissance bis in die Gegenwart. Neben dem facettenreichen Musikprogramm füllen Tanzproduktionen, Musiktheater, Schauspielinszenierungen und Kunstinstallationen das vielseitige Programm der Ruhrtriennale.
Spielorte in der Metropole Ruhr
Gemäß dem Konzept als dezentrales Festival der Künste sind die Spielstätten der Ruhrtriennale über die gesamte Metropole Ruhr verteilt. Stillgelegte Industriestandorte in Bochum, Dinslaken, Dortmund, Duisburg, Essen, Gladbeck und Mülheim an der Ruhr verwandeln sich in eindrucksvolle Spielorte mit einzigartigem Ambiente und nicht unerheblichem Charme. Die einzelnen Programmpunkte werden so zu einmaligen Erlebnissen. Unter den 41 verschiedenen Produktionen sind 26 Eigen- und Koproduktionen, 22 Uraufführungen, Neuinszenierungen, Deutschlandpremieren und Installationen, die hochaktuelles und visionäres künstlerisches Schaffen auf die Bühnen der Ruhrmetropole bringen. Eine der aufregendsten Premieren in diesem Jahr ist mit Sicherheit die Tanzproduktion „El Dorado“ vom Choreografen Richard Siegal. Sie bildet den krönenden Abschluss in einer Trilogie von Tanzproduktionen, die auf Dantes „Göttlicher Komödie“ basieren und in den vergangenen zwei Jahren im Rahmen der Ruhrtriennale erstmals aufgeführt wurden. An ausgewählten Tagen wird die Trilogie auch vollständig zu sehen sein. Das gleiche gilt für die „Trilogie meiner Familie“ von Luk Perceval nach Romanen von Émile Zola, die mit dem Stück „Hunger“ ihren Abschluss findet. Zum dritten und letzten Mal verwandelt die Großinstallation „The Good, the Bad and the Ugly“ von Atelier Van Lieshout den Vorplatz der Jahrhunderthalle in Bochum in ein verrücktes Kunstdorf. Bekannte Arbeiten wie der „Domestikator“ und das „Refektorium“ finden sich mit neuen Werken wie „Conan der Barbar“ und einer zerstörerischen Walze unter dem Oberthema „The End of Everything“ zusammen. Natürlich dient das Refektorium auch dieses Jahr wieder als Veranstaltungsort für ein vielfältiges und kostenloses Angebot an Veranstaltungen.
Urbane Künste Ruhr – Kunst im öffentlichen Raum
Einen neuen Horizont, über die anorganische Kunst hinaus, ergriff das Team von Urbane Künste Ruhr, ein Netzwerk aus Künstlern sowie Kultureinrichtungen der Region, die Thematik „Kunst im öffentlichen Raum“ auf einem völlig neuen Wege auf. Sieben Städte des Ruhrgebiets wurden Schauplatz einer einzigartigen Tour – „Truck Tracks Ruhr“ war geboren. Das Autoren-Regie-Team von Rimini Protokoll und Urbane Künste Ruhr luden für dieses besondere Theaterstück 49 Künstler und Kollektive ein, um das Ruhrgebiet als eine Spielstätte mit einer nie zuvor da gewesenen Wahrnehmung aufzugreifen.
Ein umgebauter Lkw diente als fahrbare Zuschauerkabine. Eine große Glasfläche eröffnete den Blick auf die Straßen, Gehwege, Haltestellen … des Reviers, darunter die Städte Oberhausen, Recklinghausen, Duisburg, Dortmund, Mülheim an der Ruhr, Bochum und Essen. Begleitet wurde das Gesehene durch fünfminütige Hörspiele, Soundcollagen und Kompositionen, welche die Schaustätte neu akzentuierten.
Aus diesem Projekt entstanden sind insgesamt sieben Alben, mit einer Gesamtlänge von ungefähr vier Stunden, die das Ruhrgebiet aus einem Blickwinkel zeigt, wie es bisher noch nie betrachtet wurde.
Als Videoinstallation und Teil der Ruhrtriennale findet sich „Truck Tracks Ruhr“ vom 19.8. bis zum 30.9. in der Mischanlage Welterbe Zollverein in Essen. An diesem Standort lassen sich alle sieben Alben der „Truck Tracks Ruhr“- Tour mit ihrer musikalischen Untermalung bestaunen und wahrnehmen.
Rückkehr zu den Wurzeln
Die Ruhrtriennale 2017 bietet insgesamt etwa 135 Veranstaltungen mit mehr als 700 KünstlerInnen aus rund 30 Ländern an 14 Spielstätten, die das gesamte Ruhrgebiet umfassen. Als Intendant hatte sich Johan Simons neben den Prinzipien der Ruhrtriennale auch zum Ziel gesetzt, den „Kreationsgedanken“, der die ersten Jahre des Festivals entscheidend prägte, während seiner Spielzeit wieder in den Fokus zu rücken. Das Bestreben, neue Publikumsschichten für Kunst und Kultur zu begeistern ist ihm ebenso wichtig wie die Annäherung an die Bewohner des Ruhrgebiets. Die Ruhrtriennale soll inspirieren, begeistern, Verbindung schaffen und vertiefen.
Ruhrtriennale 2017
Festival der Künste
Musiktheater, Schauspiel, Installation, Tanz, Musik
14 Spielstätten im Ruhrgebiet
18. August bis 30. September 2017
Weitere Informationen unter: www.ruhrtriennale.de
Foto 1: Ilkka Halso, Museum I, series Museum of Nature, 2003
Foto 2: Maaike Engels studio urbi et orbi
Foto 3: Christoph Fein
Foto 4: Robert Day
Foto 5: Armin Smailovic, Ruhrtriennale 2017
Foto 6: Atelier Van Lieshout
Foto 7: Vanessa Wobb