Der hysterische Run zumeist weiblicher Teenager auf die Bücher und Filme der „Twilight“-Saga war gerade etwas abgeebbt und schon stand am 15. Juli der deutschlandweite Kinostart des dritten Teils „Eclipse – Biss zum Abendrot“ an. Erwachsenere Vampirfilmgucker fragen sich seit längeren, was aus ihrem Lieblingsgenre geworden ist: Romantisierung und nicht zuletzt die Ausrichtung auf das junge, umsatzstarke Zielpublikum haben aus dem Dracula-Mysterium ein seichtes Pubertätsgetue gemacht. Glücklicherweise gibt es trotzdem noch Filmemacher, die Vampiren etwas düsteres und geheimnisvolles abgewinnen können und so dringt mit „Durst – Thirst“ und „Daybreakers“ langersehnter Blutsauger-Nachschub für die erwachsenen Vampirfans auf den lebendigen Heimkinomarkt.
[ruhr-guide] Für die einen sind Edward, Bella und Jacob die Helden schlechthin, während wiederum andere einen großen Bogen um alles machen, das den Titel „Twilight“ trägt. Wenn auch viele ihr Stück vom Kuchen des aktuellen Trends abbekommen möchten und die funktionierende Formel kopieren was das Zeug hält – man siehe beispielsweise die TV-Serie „The Vampire Diaries“ als Mischung aus „Dawson’s Creek“ und „Twilight“ – gibt es noch Filmemacher, die anspruchsvollere Vampir-Stoffe für ein reiferes Publikum umsetzten. So geschehen im Fall des Südkoreaners Chan-wook Park, der mit „Durst – Thrist“ die düstere Persönlichkeitsstudie eines Priesters, der sich mit einem Vampir-Erreger infiziert, filmisch verarbeitet. Auch die Brüder Michael und Peter Spierig sehen in den Blutsaugern mehr als nur Romantik-Potential und lassen sie gleich die Weltherrschaft übernehmen. In ihrem Action/Endzeit-Vampirfilm „Daybreakers“ sind Menschen fast ausgerottet und eine enorme Vampirpopulation bevölkert die Erde. Menschen werden wie Tiere gezüchtet und deren Blut gemolken, doch als die Anzahl der menschlichen Nahrungslieferanten dramatisch sinkt, bestimmt Existenzangst das Leben im Vampirvolk.
Ungewöhnliches Vampirdrama aus Südkorea: „Durst – Thirst“
Regisseur Chan-wook Park hat schon in „I’m a Cyborg, But That’s OK“ seiner Faszination am Anderssein gehuldigt und eine tolle Geschichte über gegenseitige Akzeptanz und das Zugehen aufeinander auf Zelluloid gebannt. Auch „Durst – Thirst“ verfolgt dieses Leitthema, indem eine Hauptfigur installiert wird, die den Umgang mit ihrem Anderssein (= dem Dasein als Vampir) erlernen und die verzwickte Situation akzeptieren muss. Pater Sang-hyeon (Kang-ho Song, „Lady Vengeance“) hat seine Berufung im Priesteramt gefunden. Hoher Einsatz und große Hilfsbereitschaft zeichnen ihn aus und so geht Sang-hyeon dorthin wo’s wehtut, mitten in ein Krisengebiet. Bald steckt er sich mit einer tödlichen Infektionskrankheit an, wird ins nächste Krankenhaus eingewiesen und erhält dort die verhängnisvolle Blutinfusion. Sie ist mit einem aggressiven Vampir-Erreger verseucht und verwandelt den gottesfürchtigen Pater zum Blutsauger – ganz nebenbei bekämpft es seine unheilbare Krankheit, weshalb er für viele als Wundermensch gilt. Die krankheitsüberlagernde Wirkung des Vampirstoffs hält jedoch immer nur für eine gewisse Zeit an, danach muss der Pater durch frisches Blut seine Kräfte erneuern. Die Wandlung zum Vampir ist jedoch kein Grund für ihn seine menschlichen bzw. religiösen Werte über Bord zu werfen und so weigert sich Sang-hyeon Personen zu töten – er beschafft sich das lebenswichtige Blut anders. Dieses ständige Ringen mit seinem Verlagen, dem er absolut nicht stattgeben will, bestimmt die erste Filmhälfte. Doch das Verlangen seines Körpers wird immer stärker und die Gegenwehr umso anstrengender. Die innere Zerrissenheit wird immer stärker, die verzweifelte Suche nach der Selbstakzeptanz gar unmöglich. Als die verheiratete Tae-ju (Ok-bin Kim) in sein Leben tritt, muss Sang-hyeon sich zu allem anderen noch mit heftigen moralischen Gewissensbissen auseinander setzen, denn schon bald bestimmen Veränderungen sein Leben, die kaum kontrollierbar sind. Nach einer folgenschweren Affäre mit Tae-ju sieht sich Sang-hyeon ihrem wilden Charakter gegenübergestellt, der gänzlich anders tickt als seiner und die selbstgewählte Zurückhaltung nicht teilt. Der Konflikt nimmt seinen Lauf als es Tae-ju nach immer mehr Blut durstet wobei sie Sang-hyeons Prinzipien missachtet.
Gegensätze ziehen sich an
Tae-ju und Sang-hyeon bilden in „Durst – Thirst“ zwei klassisch-konträre Vampir-Charaktere, deren Gegensätzlichkeit großes Konfliktpotenzial heraufbeschwört. Er, durch einen „Unfall“ mit dem Erreger infiziert, ist der „menschliche“, achtsame Vampir. Ohne zu überfallen oder gewollt zu töten beschafft er sich das überlebenswichtige Blut, während sie charakterlich dem blutrünstigen Urtyp entspricht: Tae-ju legt keine Scheu „an den Tag“, ihre Opfer bis auf den letzten Tropfen Lebenssaft auszusaugen. Im Normalfall würden zwei so gegensätzliche Figuren kaum miteinander auskommen wollen, doch wo die Liebe hinfällt herrscht nicht immer eitler Sonnenschein – und so widmet sich „Durst – Thrist“ in der zweiten Filmhälfte diesen gegensätzlichen Typen und der Herausforderung, trotz allem zusammen sein zu können bzw. wollen. Damit erreicht der Film eine Tiefe, die man sonst vornehmlich im Drama-Genre findet. Regisseur Chan-wook Park seziert praktisch jeden Charakterzug seiner Figuren und schafft es, ihre Gegensätzlichkeit plausibel nachzuzeichnen und die problematische Bindung zu erklären – eine Leistung, die den Streifen um so beeindruckender macht. Dabei kommt er ohne auffällige Action- oder Horrorsequenzen aus, schafft es, sich auf Figuren und deren Charakter zu konzentrieren.
Actionlastige Endzeit-Vampirsaga: „Daybreakers“
Anders als Chan-wook Park geht das deutsche Brüderpaar Spierig („Undead“) in ihrem Actioner „Daybreakers“ zur Sache. Hier haben sich die blutrünstigen Vampire gegenüber den Menschen durchgesetzt und bilden global die vorherrschende Rasse. Wie war das noch gleich mit dem „Survival of the Fittest“? Jedenfalls fristen die Menschen ein Dasein in Angst und Schrecken, die wenigen in Freiheit lebenden befinden sich in ständiger Furcht entdeckt zu werden, weshalb sie auf der Flucht sind. Andere werden von den Vampiren in Zuchtstationen gehalten und dienen lediglich dem Zweck „gemolken“ zu werden: Ihnen wird das Blut ausgepumpt und zur Ernährung der Vampir-Zivilisation weiterverarbeitet. Dumm nur, das die menschlichen Vorräte fast aufgebraucht sind und hungernde Vampire zu seelenlosen Zombies werden, die eine Gefahr für das Blutsauger-Volk darstellen. „Daybreakers“ bietet also ein reichhaltiges themenreiches Setting mit vielen sozialwissenschaftlich-politisch-soziologischen Ansätzen, während es bei seiner filmischen Umsetzung Verweise auf Endzeitfilme und das Apokalypse-Kino einbaut.
Sozialkritik an der Zukunftsgesellschaft
Vom Grundsatz her ist diese Tendenz eine interessante. Zu beobachten, wie eine dem Menschen überlegene Zivilisation an fast den gleichen Problemen krankt wie die heutige Gesellschaft, hat die Wirkung des Spiegelvorhaltens. Der aufmerksame Zuschauer erkennt die Frage nach dem Umgang mit Unterprivilegierten oder eine gewisse Kritik an der Behauptung einer Vormachtstellung diverser Bevölkerungsgruppen. Der „Obervampir“ im feinen Anzug Charles Bromley (Sam Neill, „Jurassic Park“) lenkt die Blutsauger-Zivilisation und erscheint dabei ähnlich aalglatt, wie heutzutage Banker oder Manager durch ihren Machthunger und der Sucht nach Geltung. Doch auch Bromley ist sich der kritischen Situation bewusst, denn das Blut wird knapp. Vampire die nicht ausreichend versorgt sind mutieren zu degenerierten Monstern, eine Gefahr der feinen Gesellschaft. Deshalb treibt der kühl kalkulierende Bromley passionierte Wissenschaftler an, ein Blutersatz zu kreieren mit dem der Fortbestand seiner Rasse gesichert ist. Labor-Star Edward Dalton (Ethan Hawke, „Before Sunrise“) gilt dabei als Schlüsselfigur, kommt jedoch bald mit Lionel ‚Elvis‘ Cormac (Willem Dafoe, „Antichrist“) in Berührung. Der hat die Rückverwandlung zum Mensch bereits geschafft und rebelliert gegen die unterdrückende Hand der Vampire. Dalton öffnet die Augen und blickt zum ersten mal fernab jeder Ideologie oder Voreingenommenheit auf die Welt und ihre Bewohner. Bromley kann natürlich einen solchen Akt der Untreue nicht billigen und beginnt in Dalton als Überläufer zu den Systemfeinden (Menschen) abzuschreiben und beginnt die Jagd. Der Konflikt spitzt sich mit jedem Tag weiter zu, die Blutreserven schwinden unaufhaltsam – eine Situation die Elvis nicht verborgen bleibt der eine Chance erkennt, die Weltordnung zu ändern.
Vielseitiger Ansatz verkommt durch Actionüberflutung
Diese vielschichtigen Ansätze erwecken hoffnungsvolle Erwartungen an „Daybreakers“. Erlebt der Genrefan nach wenig kreativen Actionkrachern wie „Blade“ und der „Underworld“-Trilogie oder den schmalzigen „Twilight“-Streifen endlich wieder einen spannenden und interessanten Vampirfilm? Die Frage lässt sich leider nur mit Jaein beantworten. Die meisten Ansätze aus „Daybreakers“ gehen leider in dem alles überlagernden Actionplot unter. Rasante Verfolgungsjagden und Vergleichbares nehmen viel Platz in Anspruch, so dass für die anderen Ideen kaum noch Entwicklungsspielraum übrig ist. Der kritische Ausgangspunkt zeugt von einer intensiven Beschäftigung mit dem Stoff, doch pochen die deutschen Regisseure zu sehr auf Schauwerte anstatt sich mit den Charakteren oder der vielversprechenden Handlungsebene auseinander zu setzen. So sind Gut und Böse schnell ausgemacht, der plot durchschaut und alles konzentriert sich darauf, ob die fiesen Vampire ihre Vorherrschaft einbüßen müssen. Die Idee, einen Zweifelnden die Seiten wechseln zu lassen, ist ebenfalls mehrmals in der Filmgeschichte ausgereizt worden. Deshalb ist „Daybreakers“ noch lange kein schlechter Film, hätte jedoch ein aussergewöhnlich kreativer Reisser werden können. Der Look des Films ist klasse, das Szenenbild überzeugt. Auch die tollen Schauspieler erledigen ihren Job gut, die drei Kernfiguren sind mit Ethan Hawke, Sam Neill und Willem Dafoe prominent besetzt. Gerade die letztgenannten spielen ausgelassen ihre gegensätzlichen Figuren: Neill fast unnahbar, glatt und unsympathisch während Dafoe als weiser und tapferer Kämpfer den Wegweiser für Hawke abgibt, dessen innerer Zwiespalt jederzeit glaubwürdig erscheint. In Kombination mit dem interessant anmutenden Inhalt wäre mehr drin gewesen, denn ist „Daybreakers“ durchaus einen Blick wert, auch wenn die Ideen nicht voll ausformuliert werden.
(mo)
Fotos: ASCOT ELITE Home Entertainment GmbH, Sunfilm Entertainment