In Woody Allens jüngsten Film – seinem 41. – entführt der 75-jährige Filmemacher sein Publikum abermals ins britische London. Naomi Watts („King Kong“), Anthony Hopkins („Hannibal“), Josh Brolin („True Grit“), Freida Pinto („Slumdog Millionär) und Gemma Jones („Bridget Jones“) erleben in der Themse-Metropole das Auf und ab der Liebe – womit Autor und Regisseur Woody Allen seinem typischen Themenkomplex treu bleibt. Der in Brooklyn geborene Workaholic drückt auch der neusten Schöpfung seinen Stempel auf: Inszenierung, Optik und Montage sind handwerklich perfekt verbunden, so dass sich „Ich sehe den Mann deiner Träume“ von der bereiten Filmmasse nicht nur durch die inhaltliche Allen-Formel, sondern auch formal abhebt. Der im Original „You will meet a tall dark Stranger“ betitelte Mix aus Komödie und Drama ist seit dem 5. Mai im Handel auf DVD und Blu-ray erhältlich.
[ruhr-guide] Woody Allen zieht es erneut nach London: Bereits 2005 durften Scarlett Johansson („Lost in Translation“)
und Jonathan Rhys-Myers („Die Tudors“) in „Match Point“ Englands Hauptstadt durchwandern, wenig später folgte „Scoop“ – ebenfalls mit der blonden Vorzeige-Mimin. Diesmal an ihrer Seite: Der Altmeister Woody Allen himself. Nach „Cassandras Traum“ und einem raschen Ausflug ins spanische Barcelona, welcher die Allen/Johansson-Trilogie mit „Vicky Christina Barcelona“ vervollständigte, folgte die Rückkehr in Allens Heimatstadt: Dem Big Apple. „Whatever Works“ spielte erneut in New York, der Stadt, welche die früheren Werke des Regisseurs bestimmte: Vom „Stadtneurotiker“ bis „Manhattan“ – Woody Allen drehte ein ums andere Mal in und um die amerikanische Megametrople herum, bevor er in den letzten Jahren Europa als Handlungsort seiner filmischen Ideen entdeckte, bzw. ihn die Finanziers dorthin lockten. Diese nicht zu verkennende Wechselbeziehung wird nun mit „Ich sehe den Mann deiner Träume“ um ein Kapitel erweitert und noch in diesem Jahr mit Allens aktuellem Film „Midnight in Paris“ fortgesetzt. Darin spielen dann übrigens Marion Cotillard („Inception“), Adrien Brody („Predators“) und Owen Wilson („Meine Frau, unsere Kinder und ich“). Ebenfalls dabei Sarkozy-Herzdame Carla Bruni.
Alles spielt verrückt
„Ich sehe den Mann deiner Träume“ beschert dem Zuschauer ein heiteres Hin und Her zwischen den einzelnen Mitgliedern
des stattlichen Ensembles, denen die gefühlsmäßige Achterbahnfahrt alsbald über den Kopf wachsen soll. Der alternde Alfie (Anthony Hopkins“) tickt plötzlich völlig aus und läuft der fixen Idee nach, dem Alter ein Schnippchen zu schlagen. Er verlässt seine langjährige Ehefrau Helena (Gemma Jones), pflegt einen neuen, übertriebenen Luxus-Lifestyle mit Sportwagen und Dauerkarte im Sonnenstudio. Als er das dumme, aber mit optischen kaum geizende Callgirl Charmaine (Lucy Punch) kennen lernt, sollen zu allem Überfluss bald die Hochzeitsglocken läuten. Helena hingegen versinkt in einer tiefen Lebenskrise, einen missglückten Selbstmordversuch inklusive. Die neuerlichen Lebensumstände treiben sie in die Arme einer offensichtlich-betrügerischen Wahrsagerin, der sie fortan nebst Geld auch allen Glauben spendet. Sehr zum Missfallen ihrer Tochter Sally (Naomi Watts), der nun nicht nur ihr Ehemann Roy (Josh Brolin), sondern die abgedriftete Mutter auf die Nerven geht. Roy versucht beharrlich, sein begrenzt vorhandenes Talent als Schriftsteller zu melken und hofft vehement auf den „längst fälligen“ großen Erfolg mit dem neuen Buch. Als in die Wohnung gegenüber die hübsche Dia (Freida Pinto) einzieht, schenkt er einen Großteil seiner Aufmerksamkeit dem Fenster, hinter dem sie sich aufhält …
Geschüttelt und gerührt
Was einem gewissen englischen Gentleman niemals ins Haus kommen würde, vollzieht Allen mit seinen
Figuren und deren untereinander bestehenden Beziehungen sowie ihren emotionalen Zuständen: Er schüttelt und rührt sie kräftig durcheinander, sodass bald niemand mehr sicheren Boden unter den Füssen hat. Alfie rennt blindlings seiner verrückten Idee hinterher, die gutgläubig-naive Helena hingegen versinkt völlig in ihrer Realitätsflucht, Sallys Ehe weicht einem emotionalen Spießroutenlauf, bei dem auch ihr Chef Greg (Antonio Banderas) eine gewaltige Rolle spielt. Roy verguckt sich unsterblich in die verlobte Dia und begeht für den verzweifelt erwünschten Erfolg als Autor einen schweren moralischen Fehler, der ihn mehr als unglücklich macht. Dieses kollektive Versagen ist im Universum des Woody Allen nicht selten: Er lässt alle Figuren auf- oder laufen, sie kommen nicht voran und hüpfen wie ein wilder Flummi zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Bitterböse geht Allen mit ihnen um und zeigt somit die verrückten Irrungen und Wirrungen des Lebens. Philosophisch, sarkastisch und ironisch – aber immer ohne Mitleid. Hier passiert alles, was die Unplanbarkeit von Gefühlen und Liebe imstande ist auszulösen.
Das Rad nicht neu erfunden, aber es am Laufen halten!
In einem Interview mit dem Branchenmagazin „Blickpunkt: Film“ gesteht Allen, dass er „seinem“ Terrain nicht entfliehen kann. „Ich würde so gern immer etwas Neues schaffen, am Ende bin ich schon zufrieden, wenn es Unterschiede gibt. Ich bin kein Perfektionist“. Diese Aussage trifft den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf. „Ich sehe den Mann deiner Träume“ ist unverkennbar Woody Allen. Dies kann man ihm als mangelnde Kreativität vorwerfen, oder sich an den verschiedenen Varianten seines Schaffens erfreuen. Die jüngeren Werke um „Vicky Christina Barcelona“, „Match Point“ oder „Whatever Works“ sind anderen Komödien, die verkrampft versuchen innovativ zu sein, um Längen voraus. Und so bleibt auch „Ich sehe den Mann deiner Träume“ dem bekannten Kanon nah, vermag aber dennoch seinen eigentümlichen Zauber über die knapp 100 Filmminuten auszubreiten. Das der Käufer der DVD in Sachen Extras in die Röhre gucken muss, ist ebenfalls Allens Beharrlichkeit „zu verdanken“. Seit jeher sträubt er sich eigensinnig gegen Sonderausstattung auf seinen DVDs – und so auch hier. Das Label hat zumindest den deutschen sowie den englischen Kinotrailer zugesteuert. Darüber hinaus gefällt Bild und Ton, die Dialoge sind im englischen Original sowie in der deutschen Fassung bestens verständlich. Die DVD bietet den deutschen und englischen Ton als Dolby Digital 3.0-Spur und reicht zusätzlich eine deutsche DTS 3.0-Spur. Deutsche Untertitel können ebenfalls eingeblendet werden.
Copyright: „Concorde Home Entertainment“
(mo)