In jüngster Vergangenheit haben deutsche Filmemacher mal mehr mal weniger erfolgreich versucht, sich mit dem Thema der Ost-West-Beziehungen auseinanderzusetzen. Seit dem 27. August steht mit „Liebe Mauer“ eine Romantikkomödie auf DVD und Blu-ray in den Regalen, die eine aufkeimende Liebesbeziehung zwischen Felicitas Woll („Berlin, Berlin“) und Maxim Mehmet („Fleisch ist mein Gemüse“) vor dem Hintergrund des geteilten Berlins und der Entwicklungen im November 1989 erzählt. Beide geraten ins Visier der gegnerischen Geheimdienste und müssen ihre Liebe verbergen.
[ruhr-guide] Von Wolfgang Beckers „Goodbye Lenin“ über Dominik Grafs „Der rote Kakadu“ reicht die Liste bis zum Allround-Erfolg „Das Leben der Anderen“, mit dem Regisseur und Autor Florian Henckel von Donnersmarck sogar einen Oscar gewann. Das Thema DDR und Ost-West scheint absolut nicht durch zu sein und immer neue reizvolle Stoffe zu bieten, die Autoren, Regisseure und Filmleute fesseln.
Regisseur Peter Timm („Rennschwein Rudi Rüssel 2 – Rudi rennt wieder!“) vereint in der Storyline seines Films „Liebe Mauer“ mehrere interessante Aspekte des innerdeutschen Ost-West-Konflikts, indem er das scheinbar „Unvereinbare“ zusammenbringt: Ein Westmädchen verliebt sich in den Ostjungen, der obenauf noch als Grenzsoldat arbeitet. Das der 1950 geborene Berliner aus dieser Story kein ernstes Drama macht, ist ein Gewinn für den Film. Auch wenn die leidvolle Geschichte zweier Liebenden, die nicht zusammen sein dürfen, schon x-Mal erzählt wurde, zeichnet diese Version vor dem Hintergrund der letzten Monate der DDR-Existenz unterhaltsame wie nachdenklich stimmende Situationen nach.
Aufkeimende Liebe und dazwischen die Mauer
„Liebe Mauer“ ist ein weiterer Beitrag deutscher Filmemacher zur Nachbereitung der Geschichte des eigenen Landes. 1989 zieht Franzi (Woll) nach Berlin um zu studieren, kann sich aus Geldmangel nur eine Wohnung nahe der tristen Grenzmauer leisten. Dort trifft sie Sascha (Mehmet), beide lernen sich kennen und verlieben sich rasch ineinander. Die schier unvereinbaren Welten politischer Gegensätze existieren für das junge Paar nicht, welches seine Liebe jedoch nicht öffentlich zeigen darf, ohne in den Fokus der Staatssicherheit zu geraten. Die hat jedoch schon längst Lunte gerochen und wittert eindeutige Spionageaktivitäten. Auch der CIA bekommt Wind von der Sache und setzt seine Leute auf Franzi an, während die Stasi Sascha zur Kooperation zwingt. „Liebe Mauer“ lebt von den beiden Hauptfiguren, die im sich allmählich entwickelnden Katz und Maus-Spiel mit allen Aspekten der Story jonglieren müssen.
Der anfänglichen Unbefangenheit folgt schnell Sorge und Angst um den anderen. Mit einigem Witz aber auch der notwendigen Ernsthaftigkeit erzählt Timm seine Geschichte und versucht, durch einige Nebenfiguren diverse Aspekte der Zeitgeschichte zu verarbeiten. Saschas Vater (Karl Kranzkowski) als kompromissloser Unterstützer des DDR-Staates, Saschas Bekannte Uschi (Anna Fischer), die wie er selbst unter den Restriktionen leidet, und nicht zuletzt Thomas Thieme als Stasi-Major Kutzner spiegeln die Facetten der politisch-gesellschaftlichen Lage anschaulich wieder.
„Kalter Krieg und heiße Herzen: Det jibt Schmerzen“ – Zitat
Diese weisen Worte spricht eine Kellnerin, die Franzi in einer schweren Situation zur Seite steht. Eine Szene, die veranschaulicht wie der Film funktioniert: Mit wenig Kitsch und einen großem Detailreichtum wird die authentische Nacherzählung einer Liebe geschaffen, die vor der Kulisse des zusammenbrechenden DDR-Staates immer neuen Herausforderungen Stand halten muss. Ausgesprochen gut gefallen Szenenbild und Kulissen, die eindrucksvoll nachgebauten Grenzabschnitte und tristen Berliner Straßen versetzen den Zuschauer zurück in die Zeit vor gut 20 Jahren. Übrigens hat der Regisseur dazu einige Ausführungen im Making of (Extras) verfasst.
Bäumchen wechsle dich
Um eine zusätzliche inhaltliche Ebene zu gewinnen, haben sich die Autoren ein klassisches Verwechselungsspiel ausgedacht. Saschas Bekannte Uschi und Franzi sehen sich sehr ähnlich, weshalb sie kurzerhand die Rollen tauschen: Uschi kann endlich ihre ersten Schritte im Westen beschreiten, Franzi hingegen über Nacht bei Sascha bleiben. Leider geht der Plan nur bedingt auf, denn bald stehen auf beider Matten die jeweiligen Geheimdienste und zwingen die jungen Frauen zur Mitarbeit. Ein kurioses Durcheinander entsteht, dass es in ähnlicher Form bereits mehrfach in der Filmgeschichte zu sehen gab und deswegen nicht gerade die originellste Idee ist. Das hier künstlicher Witz erzeugt werden soll, ist nicht zu übersehen. Natürlich fliegt das Spielchen auf und es kommt zum dramatischen Finale vor den Entwicklungen der großen Grenzöffnung. Hier sind es bewegende Bilder, die Timms Kamerateam einfängt. Vor allem wird hier klar, das nicht nur Sascha und Franzi unter der Staatsteilung zu leiden hatten. „Liebe Mauer“ schafft einen sinnigen Spagat zwischen komödiantischen Elementen und dokumentarischen Einflüssen, kann aber nicht immer mit allen Nuancen umgehen. Als Ergebnis steht ein ansprechender Film zu Buche, der die Geschehnisse vielseitig aufarbeitet. Über das gekünstelt wirkende Verwechselungsspiel kann getrost hinweggesehen werden.
Frische Extras
Sowohl DVD als auch Blu-ray verfügen über ein frisches Making of. Innerhalb der 20 Minuten Laufzeit vermitteln die Macher unterhaltsam ihre Erlebnisse vom Dreh und der Realisierung des Hauptfilms. Dazu gibt es noch 5 Minuten verpatzte Szenen, eine Fotogalerie und den Trailer. Diese Ausstattungsfeatures sind ok und erfüllen ihren Zweck, dennoch hätte bei einem Film mit diesem historischen Thema eine Dokumentation z.B. über die Maueröffnung nicht geschadet. Gerade für jüngere Zuschauer wäre solches Material spannend und informativ. Ein schönes Feature ist die deutsche Untertitelspur für Hörgeschädigte. Die deutsche Dolby Digital 5.1 Tonspur ist qualitativ in Ordnung, die Dialoge sind jederzeit verständlich. Ebenso wenig kann an der Bildqualität ausgesetzt werden, da alle relevanten Bildwerte vollkommen in Ordnung sind. So ist mit „Liebe Mauer“ eine gute DVD-Aufarbeitung gelungen, die sowohl technisch als auch in der Qualität des Hauptfilms im oberen Mittelfeld mitspielt.
(mo)
Bildquelle: Warner Home Video