Willkommen auf der Insel: Wie viele Nordsee-Urlauber wird auch Leonardo DiCaprio mit dieser Begrüßungsfloskel bei seiner Ankunft auf „Shutter Island“ gebührend empfangen. Mit dem Unterschied, dass im Gegensatz zu Norderney, Juist und Co. auf „Shutter Island“ niemand seine Ferien verbringen will und der Hollywood-Recke nicht zum Spass angereist ist, denn die auf dem Eiland gelegene gefängnisartige Psychiatrie hat den rätselhaften Ausbruch einer psychisch kranken und extrem gefährlichen Insassin zu beklagen. Marshall Teddy Daniels (DiCaprio) soll dem Fall nachgehen und bereits kurz nach dem Eintreffen kommen ihm einige Dinge nicht ganz koscher vor…
[ruhr-guide] Mit „Shutter Island“ feiert ein hochgradig spannender Hollywood-Thriller seinen Einstand auf dem deutschen Heimkinomarkt, der bereits im Kino gut bei seinen Zuschauern ankam und weltweit $ 294,790,884 einspielte. Regisseur-Dinosaurier Martin Scorsese („Departed“) ist ein fesselnder Psycho-Thriller gelungen, der sowohl wegen seiner wendungsreichen Story aber auch der durchweg hochklassigen Leistungen der DarstellerInnen überzeugt. Neben Leonardo DiCaprio spielen Mark Ruffalo, Ben Kingsley, Max von Sydow, Jackie Earle Haley, Michelle Williams und Emily Mortimer in dieser atmosphärischen Romanverfilmung.
Premiere auf der Berlinale
Als im Frühjahr verkündet wurde, dass Martin Scorseses neuer Film im Rahmen der diesjährigen Berlinale als Premiere gezeigt würde, war die Vorfreude auf Seiten der Festivalleitung, aber auch bei Fans und Festivalbesuchern groß. Entsprechend gewaltig fiel der Rummel am roten Teppich aus, als der Meisterregisseur und seine Stars zum festlichen Screening anreisten. Natürlich blieb im Premierentheater kein Platz frei und auch alle weiteren Vorstellungen konnten sich nicht über mangelnden Zuspruch beklagen. Gleicher Zuspruch war beim bundesweiten Kinostart zu beobachten – ein Effekt, der nicht auf Deutschland beschränkt bleiben sollte: Der mit einem Budget von ca. $ 80,000,000 realisierte Streifen konnte immerhin an die $ 300,000,000 einspielen und erwirtschaftete damit einen ordentlichen Gewinn. Zählt man die aktuell anlaufende Heimkinoauswertung hinzu, kann sich die resultierende Zahl sicher sehen lassen.
Erfolg gibt recht
Das dieser Erfolg nicht von irgendwoher kommt, offenbart sich jedem Zuschauer bei der Sichtung. Die mitreissende Story um einen US Marshall, der einer entflohenen Insassin einer Insel-Psychatrie nachforschen soll, hat es in sich. Scorsese knüpft seinen Thriller gekonnt zusammen, die Atmosphäre auf „Shutter Island“ ist alles andere als einladend und so schleicht sich bereits nach den ersten Filmminuten ein ungutes Gefühl ein, welches vorab Unheil ankündigt. Irgendetwas stimmt nicht, das erkennt Teddy Daniels recht fix. Zusammen mit Kollege Chuck Aule (Mark Ruffalo) hinterfragt er die Arbeit von Anstaltsdoc John Cawley (Ben Kingsley), der den Fragen der Ermittler zunehmend ausweicht. Auch Dr. Jeremiah Naehring (Max von Sydow) erweist sich als wenig hilfsbereit und Daniels scheint es, als sollen geheime Machenschaften vertuscht werden. Als sich nun noch andeutet, das die Geschichte vom Ausbruch der psychisch kranken Insassin nicht wasserdicht ist, steuert der Film auf seinen spannenden Höhepunkt zu.
Überzeugende Figuren formen die vielfältige Story
Allen voran überzeugt Leonardo DiCaprio („Inception“) als US-Marshall, dessen Ermittlungen zunehmend aus dem Ruder laufen, je tiefer er in den Fall eindringt. Im weiteren Filmverlauf wird klar, dass auch Daniels mit psychischen Belastungen zu kämpfen hat: Der Veteran hat neben den Nachwirkungen seiner Soldatenzeit im Zweiten Weltkrieg auch den Tod seiner Frau zu verkraften und leidet an starken Migräneschüben. Sein Kopf scheint ihm auf „Shutter Island“ keine Ruhe zu lassen, weshalb er immer mehr den Halt unter den Füssen verliert. DiCaprio löst sich mit der überzeugenden Darstellung allmählich vom Image des umjubelten „Titanic“ oder „Romeo und Julia“-Teenieschwarms und schafft es vorzüglich, seiner Figur den nötigen Ausdruck zu verleihen. An seiner Seite spielt Mark Ruffalo ähnlich gut, über die Qualitäten von Ben Kingsley und Max von Sydow muss kein Wort mehr verloren werden – ihr Ruf eilt voraus. Michelle Williams als verstorbene Ehefrau DiCaprios wurde leider nur kurze Leinwandpräsenz gegönnt – schade, denn auch sie überzeugt auf ganzer Linie.
Vorzüglich inszeniert – Gekonntes Handwerk
Am Schluss gelingt dem Filmteam ein pompöser Paukenschlag, dessen Ausgang den Zuschauer auch lange nach dem letzten Bild beschäftigt – das Rätselraten wird über den Abspann hinaus weitergehen. Bereits während des Films werden die Synapsen des Zuschauers auf Alarm geschaltet, denn man kommt nicht umhin von Beginn an mitzudenken und seine ganz persönlichen Theorien zu entwickeln. Scorsese spielt förmlich mit seinem Zuschauer, führt in auf falsche Fährten, indem er lockende Brotkrumen in Filmform hinwirft, die anstatt zur gewünschten Information, nur zu weiteren Unklarheiten führen. Das mach natürlich irre viel Spass und zeigt wie gekonnt der Film durchkonstruiert ist, jedoch ohne sich dem Publikum zu offenbaren. Die Spannung bleibt, wie bereits erwähnt, bis zum Filmende erhalten. Dies schaffen nur wenige Regisseure und somit ist „Shutter Island“ ein weiteres Prachtstück im Schaffen von Martin Scorsese, der mit „Casino“, „Kap der Angst“, „Goodfellas“ oder „Taxi Driver“ zweifellos sein können unter Beweis gestellt hat. Einen Oscar gab es 2007 für „Departed“ in der Kategorie Beste Regie, unzählige Preise und Nominierungen finden sich in Scorseses Vita. Als nächstes steht für den gebürtigen New Yorker eine Frank Sinatra-Biographie an, die bereits 2011 in den Kinos starten soll.
Visueller Stil als Reminiszenz an frühere Genre-Klassiker
Der in den 1950er Jahren spielende „Shutter Island“ ist rein visuell nah am Film noir und dem Gangsterfilm, zitiert zudem vorzüglich aus Thrillern und Krimis der klassischen Hollywoodära – dunkle, bedrohliche Bilder zeigen die angsteinflössende Insel, die umschlossen von tosenden Wassermassen kaum Fluchtwege bietet. Kamera, Schauspiel und Inszenierung harmonieren nahezu perfekt und bringen diesen dichten Thriller zustande, der fast mit jeder Einstellung an die großen Vorbilder aus der Zeit der Schwarzweissfilme erinnert. Scorsese hat einen formal typischen amerikanischen Thriller geschaffen, die Genre-Stärken klug verbaut und zu einem funktionalen Gesamtkonstrukt montiert, dabei Optik und Erzählung genau aufeinander abgestimmt. Die unsichere Atmosphäre wird zudem durch den tollen Score untermauert, der vor allem zum Filmbeginn das heimische Wohnzimmer mit unheilvollen Töne füllt.
Umsetzung auf DVD und Blu-ray
„Shutter Island“ kommt auf Blu-ray und DVD sowie als Special Edition-DVD im Steelbook auf den deutschen Heimkinomarkt und liegt preislich im guten Mittelfeld. Das Bonusmaterial ist in beiden Version gleich und bietet mit einer Laufzeit von einer knappen halben Stunde zwar nicht den Info-Überfluss, doch schafft es in diesem Umfang viele Hintergründe zu Film, Buch und Storyrahmen zu erläutern. Der ein oder andere nützliche Tipp trägt sicher zum Gesamtverständnis bei, weshalb die Sichtung erst nach dem Film erfolgen sollte. Bild und Tonqualität der diesem Text zugrunde liegenden Blu-ray waren vollends in Ordnung. Vor allem bei dunklen Szenen bleibt stets alles erkennbar, Bildschärfe und Kontrast sind bestens umgesetzt. Der Ton ist als wichtiges Element des Thrillers ebenfalls gut aufgearbeitet, die Dialogverständlichkeit der deutschen DTS HD Master 5.1 Audiospur ist wie beim englischen Original im gleichen Format vorbildlich gelungen. Deutsche Untertitel sowie deutschsprachige Untertitel für Hörgeschädigte sind hilfreiche Zusatzleistungen, die ebenfalls beide Medientypen bieten.
(mo)
Fotos: Concorde Home Entertainment