Die „Route der Industriekultur“ ist ein Projekt des Regionalverbandes Ruhrgebiet und war vor allem zur Förderung des Tourismus im Ruhrgebiet gedacht. Die Route entstand zwischen 1989 und 1999. Die alten Wunden der Industrialisierung sollten nutzbar gemacht werden. Die Probleme der Gegenwart und Spuren der Vergangenheit sollten sich zu Hoffnungsträgern für die Zukunft entwickeln. Pathetisch gesprochen. Ein wenig pragmatischer: Wenn die alten Dinger schon mal da sind, stellen wir sie halt aus – und das mit überragendem Erfolg!
[ruhr-guide] Ein riesiger Maschinenfriedhof wird zum größten Freilichtmuseum der Welt – das ist die Essenz der „Route der Industriekultur“. In erster Linie zur Förderung des Tourismus gedacht, präsentiert und bewahrt sie zugleich die Geschichte des Ruhrgebiets.
Es gibt wenig in dieser Region, das in seiner ursprünglichen Form zu sehen ist. Die schönsten Seen, die anmutigsten Hügel – nichts ist echt. Daran erinnern all die alten Anlagen. Doch nebenbei entfalten sie eine ganz eigenwillige Ästhetik, der sich wenige entziehen können, die sie erlebt haben.
27 Ankerpunkte der „Route der Industriekultur“
27 sogenannte Ankerpunkte bilden den Grundbestand der „Route der Industriekultur“. Im Folgenden stellen wir Ihnen einige Stationen vor.
Die Zeche Zollverein in Essen, das zentrale Besucherzentrum, gehört seit 2004 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Weitere Besucherzentren sind der Landschaftspark Duisburg-Nord und die Zeche Zollern in Dortmund. Die Besucherzentren informieren zur Geschichte der Region und der Industrie, hier kann sich der Gast auch über die weiteren Etappen der Route informieren. 25 verschieden Themenrouten können erkundet werden, neben Industriedenkmälern geht es auch an alten Siedlungen und Landschaftsmarken vorbei. Angefangen beim „Mhytos Ruhrgebiet“ bis hin zu „Brot, Korn und Bier“ geben die Themenrouten zu allen ruhrgebietsrelevanten Themen Auskunft.
Das Bergbaumuseum Bochum, worin man schon allein ein Wochenende verbringen kann, bietet sicher einen guten ersten und tiefgehenden Eindruck vom Bergbau, seinen Maschinen und seiner Geschichte. Neben Theorie und einer breiten Anzahl verschiedenster Artefakte wird Bergbau in einem Besucherstollen erlebbar.
Während unter Tage malocht wurde, residierten die Schlotbarone herrschaftlich, einen Eindruck davon vermittelt die Villa Hügel in Essen, ehemalige Residenz der Familie Krupp. Und in der Lindenbrauerei Unna, eine der wichtigsten Braustätten des Ruhrgebiets, wird ordentlich für den Pott gebraut.
Das Westfälische Industriemuseum ist auf acht Orte verteilt, vier von ihnen sind Teil der offiziellen Route. Das sind neben der Zeche Zollern auch die Zeche Nachtigall. Im schönen Muttental in Witten gelegen, ist sie Beispiel für frühen Bergbau. 1892 wurde sie schon wieder stillgelegt, danach wurde sie vor allem als Ziegelbrennerei benutzt. Industrie- und Verkehrsgeschichte sind heute die Schwerpunkte des Museums.
Binnenschifffahrt im Ruhrgebiet
Das alte Schiffshebewerk in Waltrop zeigt den Alltag der Binnenschifffahrt, die wichtiger Bestandteil der Ruhrgebietsindustrie war. Das Hebewerk ist nicht mehr in Betrieb, aber der Besucher erfährt alles über den Alltag der Schiffer und die Funktionsweise eines Hebewerks. Ganz in der Nähe kann allerdings das neue Schiffshebewerk bei der Arbeit beobachtet werden.
Die Henrichshütte in Hattingen wurde erst 1987 gegen erbitterten Widerstand stillgelegt und ist seitdem weiterer Standort des Industriemuseums. Multimedial begegnet der Besucher Menschen, die über ihre frühere Arbeit auf der Hütte berichten. Eisen und Stahl gaben einst 10.000 Menschen Arbeit. Die Größe der Zahlen verdeutlicht die Last, die mit dem Wegfall dieser Industrie der Region aufgebürdet wurde.
Spielstätten der Kulturindustrie
Dass Industriekultur auch von der Kulturindustrie aufgegriffen wird, zeigt die Jahrhunderthalle in Bochum, die neben der RuhrTriennale vielen anderen Events eine Spielstätte bietet. Ihr Bau erinnert deutlich an ein Kirchenschiff und ihre Nutzung verrät den zur jeweiligen Zeit herrschenden Geist. Damals war dieser industrieller Natur, heute sucht das Ruhrgebiet in Kultur und Dienstleistung sein Glück.
Der Gasometer Oberhausen bietet einen weiten Blick und wechselnden Ausstellungen Raum, zugleich kann man sich hier die Gigantomanie des Ruhrgebiets früher und heute verdeutlichen – der Gasometer als eindrucksvoller Zeuge des Vergangenen und größte Ausstellungshalle Deutschlands.
Der Landschaftspark Duisburg Nord: Auf 200 ha alter Industriebrache hat sich die Natur wieder breitgemacht. Während die Anlagen stillgelegt sind, erobert sie sich Raum zurück. Wo gearbeitet wurde, wird nun Erholung gesucht. Nachts wandelt sich die Szenerie. Lichtinstallationen inszenieren die Vergangenheit und ästhetisieren sie. Der Mond über Duisburg, verklärte Nacht. Tags kann auf den alten Hochöfen geklettert und im Gasometer getaucht werden. Irgendwie skurril, doch sehr schön. Was alles entsteht, auf einer unklaren Suche nach Zukunft.
Themenroute „Industrienatur“
Naturfilme gibt es viele. Naturfilme über das Ruhrgebiet gibt es keine? Doch, gibt es. Und die berichten nicht nur über den Duisburger Zoo. So langsam wird es bekannter, das sich die Natur die alten Brachen angeeignet hat. Die Themenroute „Industrienatur“ führt die Besucher an diese Orte, in denen die Natur als Untermieter wieder das Kommando übernommen hat.
Auf 21 Stationen präsentiert sich die grüne, den Einwohnern längst vertraute, für Besucher aber immer wieder überraschende Seite des Reviers. Neben dem Landschaftspark Duisburg-Nord oder der Zeche Zollverein werden dem Ortskundigen vielleicht nicht so geläufige Orte wie das Naturschutzgebiet Hallerey in Dortmund näher gebracht. Die Seen in Hallerey sind nicht natürlich sondern durch Bergsenkungen entstanden. Hier sind zahlreiche Wasservögel wiederkehrende Gäste auf ihren Zügen. Dies nur als ein Beispiel unfreiwillig von Menschen angelegter Natur. Viel ist hier zu entdecken.
Der Duisburger Hafen genießt als weltgrößter Binnenhafen Popularität. Weniger bekannt ist, dass Duisburg mit dem Innenhafen auch stadtplanerisch Maßstäbe setzt. Der Duisburger Innenhafen wurde u.a. von dem britischen Stararchitekten Sir Norman Foster gestaltet. Wie überall im Ruhrgebiet dominieren die Kontraste, ungebrochenes gibt es hier nicht. Alte Speicherhäuser neben moderner Architektur ergeben ein neues Stadtquartier.
Die Grenze zwischen dem Rheinland und Westfalen geht mitten durch das Ruhrgebiet, so kommt es, dass sich hier neben dem westfälischen auch das Rheinische Industriemuseum findet. Eisen und Stahl stehen hier im Mittelpunkt, gewaltige Dampfhammer und eine Dampflokomotive. Das Industriemuseum Oberhausen ist der Kopf des Rheinischen Industriemuseums. Bestimmt kein Museum in dem geflüstert werden muss.
Neben all der Großindustrie ist es ganz wohltuend mit vertrauten Maßstäben konfrontiert zu werden. Das Westfälische Freilichtmuseum Hagen zeigt 60 verschiedene Handwerksbetriebe, von der Bäckerei über den Schmied bis hin zur Papierherstellung – gerade auch für Kinder ein Erlebnis. „Wie, die schieben das Brot in den Ofen? Das kauft man doch beim Bäcker“ – wird es danach sicher nicht mehr geben.
Seit knapp zwei Jahrhunderten wurden im Ruhrgebiet die Natur und ihre Ressourcen vergewaltigt. Das Land wurde umgegraben und ausgehöhlt, gesprengt und betoniert.
Ein ganzer Landstrich veränderte in kürzester Zeit sein Gesicht. Aus einem kleinen, wenig beachteten Landstrich bäuerlicher Prägung zu Beginn des 19. Jahrhunderts, wurde in kürzester Zeit eine der industrialisiertesten Regionen Europas. Die Einwohnerzahlen explodierten, ein Ballungsraum mit über 5 Millionen Menschen entstand.
Fabrikschlote verdüsterten mit ihrem Rauch den Himmel.
Long Hello and Short Goodbye. Von den 70ern bis heute verschwanden Millionen von Arbeitsplätzen, ganze Städte verödeten. Die Fabrikhallen, die Zechentürme, die alten Arbeitersiedlungen – unübersehbare Aknenarben schwerindustrieller Vergangenheit blieben.
Wenn es ein Wort gibt, das hierher passt, dann „Trotzdem“.
Wer hätte gedacht, dass diese mächtigen, einst die Umwelt verpestenden Kolosse einmal Touristen anlocken würden, dass die Natur in dieser nahezu komplett gelifteten Region noch einmal Raum finden würde und dass das Ganze auch noch seine eigene Schönheit entwickeln würde, die fasziniert und in ihren Bann schlägt. Das ist anders als mit einem „trotzdem“ nicht zu erklären. Außer vielleicht mit einem „geradedeswegen“.
Die „Route der Industriekultur“ erzählt davon, und wo sie schon mal da sind – gehen sie doch hin. Es lohnt sich!
RUHR.VISITORCENTER / Besucherzentrum Ruhr
In der Kohlenwäsche, UNESCO-Welterbe Zollverein, Essen
Telefon: +49 (0)201.24681-0
www.route-industriekultur.ruhr
Öffnungszeiten:
Täglich Montag bis Sonntag: 10 bis 18 Uhr
Foti 1: Ruhr Tourismus/Vinken
Foto 2: Ruhr Tourismus / Dennis Stratmann
Foto 3: Ravi Sejk / Ruhr Tourismus GmbH